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Irak

Nach 35 Jahren Genozid und Kriegsverbrechen erste freie Wahlen: Ohne Föderalismus keine Zukunft!

Bozen, Göttingen, 27. Januar 2005

Drei Tage vor den ersten freien Wahlen im Irak seit Bestehen des Staates legt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) noch einmal eine Bilanz der Verbrechen des Saddam Hussein Regimes von 1968 bis 2003 vor. Sie erinnert daran, dass allein die Kurden einschließlich der Yeziden und die christlichen Assyro-Chaldäer des Nordirak etwa 500.000 und die Shiiten und Marscharaber etwa 400.000 Opfer zu beklagen hatten und weist darauf hin, dass Angehörige aller anderen irakischen Nationalitäten und Religionsgemeinschaften den verschiedenen Vernichtungs- und Vertreibungsverbrechen zum Opfer gefallen sind. Deshalb begrüßt eine überwältigende Mehrheit der kurdischen (20 % - 25% der irakischen Bevölkerung), shiitischen (55% - 60%) und assyro-chaldäischen (3 - 4%) Einwohner des Irak - unabhängig von der jeweiligen Haltung gegenüber der britisch-amerikanischen Militärintervention - die Möglichkeit, erstmals die Zukunft ihres Landes mitzugestalten. Die große Vielfalt der kandidierenden Parteien und Parteienzusammenschlüsse gibt den ethnischen, religiösen und sozialen Pluralismus der irakischen Bevölkerung wieder.

"Wir haben als Menschenrechtsorganisation seit 1970 kontinuierlich die Kriegs- und Genozidverbrechen dokumentiert, sind für die Rechte der verfolgten Volksgruppen und Minderheiten des Irak eingetreten und haben humanitäre und Wiederaufbauinitiativen in die Wege geleitet", so GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Deshalb erwarten wir von der zukünftigen irakischen Regierung, dass sie nicht nur demokratischen und freiheitlichen sondern auch pluralistischen und föderalistischen Prinzipien folgt. Ohne die Selbstverwaltung Kurdistans und den konsequenten Schutz der Minderheiten und Religionsgemeinschaften wird der Irak auseinander fallen. Wir bitten die Europäische Union und ihre 25 Mitgliedsstaaten, die Türkei an jeglichen kriegerischen Aktionen gegen den kurdischen Nordirak zu hindern."

Die GfbV erinnert daran, dass allein 182.000 Menschen, ganz überwiegend Kurden, bei der so genannten Anfal-Offensive 1987/88 entweder durch den Einsatz chemischer Kampfstoffe einen qualvollen Tod starben oder- wenn sie den Giftgaseinsatz überlebt hatten - bei Massenerschießungen von Einsatzgruppen getötet wurden. 1988 wurden allein 8.000 Männer und Knaben des Barzani-Stammes, unter ihnen auch die Männer eines christlichen Dorfes, entführt und liquidiert. Der Organisator der Anfal-Offensive, der Cousin Saddam Husseins, Ali Hassan Al-Majid, hat 100.000 Opfer eingestanden. Diesen Genozid haben Administration, Armee und Einsatzgruppen Saddams in allen Einzelheiten registriert und akribisch festgehalten. 14 Tonnen des Materials wurden in den USA von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gesichtet und analysiert.

Organisationen der Schiiten im Südirak beklagen 300.000 Tote seit 1991, unter ihnen 9.000 Geistliche. Diese Angaben werden von Menschenrechtlern bestätigt. Nach der planmäßigen Austrocknung der Marschen des Euphrat- und Tigris-Deltas wurden etwa 500.000 so genannte Marscharaber vertrieben. Zehntausende kamen bei Bombardements, durch Exekutionen und auf der Flucht ums Leben. Bereits Mitte der 70-er Jahre hatte die Baath-Partei die ohnehin nur noch 3.000 Mitglieder zählende jüdische Gemeinschaft nach öffentlichen Hinrichtungen und Verfolgungen fast ausnahmslos aus dem Lande gejagt.

Weiteren Massakern, Einzel- und Massenhinrichtungen fielen Vertreter aus allen Oppositionsparteien, Intellektuelle und Angehörige der Arbeiter- und Frauenbewegung zum Opfer. Zahlreiche Emigranten wurden in ihrem Gastland von irakischen Agenten ermordet. Saddam Hussein ließ Tausende Angehörige des Regimes, darunter Diplomaten, Geheimdienstler, Mitglieder des Offizierkorps und sogar seiner Republikanischen Garden sowie seiner Familie liquidieren.

Die GfbV kritisiert, dass die westeuropäischen Staaten, die USA, die damalige Sowjetunion und ihre Satelliten, insbesondere die DDR, viele dieser Verbrechen durch Lieferungen von Waffen und militärischem Know-how, durch enge diplomatische, ökonomische und politische Zusammenarbeit erst ermöglicht haben. 86 Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland haben wesentlichen Anteil am Aufbau der irakischen Giftgasindustrie gehabt.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050118de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041208de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041005de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040706de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040201de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030822de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030314ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030319de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030128de-dok.html | www.gfbv.it/3dossier/iraq/iraq-majid.html | www.gfbv.it/3dossier/iraq/iraq-os.html | www.gfbv.it/3dossier/iraq/iraq-ander.html | www.gfbv.it/3dossier/iraq/iraq.html

* www: www.christiansofiraq.com | www.yezidi.net | www.nineveh.com | www.iraqcp.org | www.kdp.pp.se | www.puk.org | www.inciraq.com | www.i-a-j.org | www.shianews.com

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