Bozen, Göttingen, 11. Juni 2008
Nach der Festnahme des mutmaßlichen serbischen
Kriegsverbrechers Stojan Zupljanin appelliert der
Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) Tilman Zülch an die Bundesregierung und
alle anderen 26 Regierungen der EU-Länder, hartnäckig
auf die Auslieferung der beiden serbischen Hauptkriegsverbrecher
Radovan Karadzic und Ratko Mladic zu bestehen. "Belgrad darf von
der EU nicht länger mit Samthandschuhen angefasst werden, es
wurden bereits genug Zugeständnisse gemacht, um Serbien die
Annäherung an die EU zu erleichtern", sagte Zülch. Die
anhaltende Passivität der serbischen Regierung bei der
Fahndung nach Karadzic und Mladic dürfe nicht länger
stillschweigend toleriert werden.
"Wir werden das Engagement der großen jüdischen
Persönlichkeiten Marek Edelman und Simon Wiesenthal, lange
auch Freunde der GfbV, und ihren großen Einsatz für
die Opfer des Genozids in Bosnien und Herzegowina nie vergessen",
mahnte Zülch. "Wir meinen, dass die deutsche Bundesregierung
und die Regierungen der EU diesem Engagement verpflichtet sein
und entschieden handeln müssen."
Europa hat geschwiegen, als jugoslawische Truppen und
serbische Milizen den Völkermord, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und schwere Verletzungen des humanitären
Völkerrechts in Bosnien-Herzegowina in der Zeit 1992-1995
begangen haben. Den Verbrechen in Bosnien-Herzegowina sind weit
über 100000 Zivilisten zum Opfer gefallen, davon mehrere
tausend in serbischen Konzentrationslagern. Über 20 000
Frauen wurden vergewaltigt, etwa 2,2 Millionen Menschen
vertrieben und hunderte Dörfer zerstört. Unter dem
Kommando der Serbenführer Radovan Karadzi? und Ratko Mladi?
Wurde unter anderem der Massenmord an mindestens 8 373 bosnischen
Knaben und Männern nach dem Fall Srebrenicas am 11. Juli
1995 begangen. Bis heute halten sich diese beiden
Hauptkriegsverbrecher dank Unterstützung serbischer
Behörden und serbischen Militärs versteckt.
"Es ist ein Schandfleck für die Arbeit des Internationalen
Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien,
dass zwei Individuen immer noch flüchtig sind, die wegen
Genozid angeklagt sind und für die schlimmsten Verbrechen in
Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht werden",
beklagte die ICTY-Chefanklägerin Carla del Ponte in einer
Erklärung gegenüber dem UN-Sicherheitsrat zum Ende
ihrer Amtszeit im Dezember 2007. Angesichts der Kriegsverbrechen
in Bosnien erklärte Marek Edelman, letzter überlebender
Kommandeur der Widerstandskämpfer des Warschauer Ghettos
folgendes: "Europa hat aus dem Holocaust nichts gelernt, Bosnien
ist ein posthumer Sieg für Hitler". Simon Wiesenthal
fühlte sich "an Bestandteile des Holocaust" erinnert. Die
Opfer des Genozids in Bosnien waren zu über 90% Bosniaken
(Muslime), aber ebenso unvergessen sind die Opfer der
kroatischen, serbischen, jüdischen und Roma
Nationalitäten Bosniens.
Bestandteile des Völkermordes in Bosnien-Herzegowina:
Tilman Zülch, Herausgeber der ersten Publikation über den Genozid "Völkermord für Großserbien" ( Luchterhand 1992), Preisträger des "Sloboda" (Freiheit) des Internationalen Friedenszentrums Sarajevo 1995, Silberordens des bosnischen Staatspräsidiums (1996), "Award against Genocide" der vier Mütterbewegungen aus Srebrenica (2006)