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China

Kulturrevolution verbreitet Angst und Schrecken im ganzen Land

Von Ulrich Delius

Bozen, Mai 2016

Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung entfachte Mao die Kulturrevolution und mit ihr den Terror der Rotgardisten. Foto: HKmPUA/Flickr BY-NC-SA 2.0. Ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung entfachte Mao die Kulturrevolution und mit ihr den Terror der Rotgardisten. Foto: HKmPUA/Flickr BY-NC-SA 2.0.

Mit Mao-Bibeln in der Hand und einer roten Binde am linken Arm ihrer olivgrünen Uniform dringt eine Gruppe fanatisierter Rotgardisten in das Gebäude des Schriftstellerverbandes in Peking ein. Dort tagt eine Versammlung, an der zwei Dutzend der angesehensten Schriftsteller des Landes teilnehmen. Die Rotgardisten treiben die Autoren auf den Hof, hängen ihnen Holzschilder mit Verleumdungen um den Hals und schlagen auf sie ein. Es ist der 23. August 1966. Alltag in Peking. Chinas Hauptstadt erlebt den blutigsten Sommer seit Gründung der Volksrepublik.

Später werden die Schriftsteller zu einem konfuzianischen Tempel getrieben, in dem sich die bedeutendste Bibliothek Pekings befindet. Die Rotgardisten entfachen dort mit Kostümen von Schauspielern ein großes Feuer, vor dem die Schriftsteller und Künstler niederknien müssen. Sie werden mit schwarzer Tinte übergossen und müssen weitere Beschimpfungen, Erniedrigungen sowie Schläge über sich ergehen lassen. Unter den Opfern der Gewalt ist auch der vielfach ausgezeichnete Autor Lao She. Er wird sich einen Tag später aus Verzweiflung über die Erniedrigung in einen See stürzen und Selbstmord begehen.

Doch Mitgliedern der Kommunistischen Partei ist es nicht erlaubt, sich das Leben zu nehmen. Der Suizid wird als Verrat gewertet und hat für alle Angehörige seiner Familie schwerwiegende Folgen. Sie werden fortan nur noch als "Sohn des Verräters" bezeichnet, verlieren ihre Arbeitsstelle, werden gesellschaftlich gemieden und gezielt benachteiligt.

Begonnen hatte die Kulturrevolution am 16. Mai 1966 mit einem Rundschreiben des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (KP) in dem die Ziele der Kulturrevolution benannt wurden. Da "Bourgeoisie" und "Konterrevolutionäre" die Machtzentren unterwandert und den kapitalistischen Weg eingeschlagen hätten, müssten die Massen die Macht wieder von unten nach oben an sich reißen, hieß es in dem programmatischen Papier. Am 8. August 1966 verkündete das Zentralkomitee der KP offiziell den Beginn der Kulturrevolution. Doch die bevorstehenden dramatischen Veränderungen und schrecklichen Verbrechen warfen ihren Schatten bereits Monate voraus.

Mao Zedong machte keinen Hehl daraus, dass er mit der Entwicklung im Land unzufrieden war. Zudem schwand sein politischer Einfluss stetig. Seit der durch seine Kampagnen ausgelösten großen Hungerkatastrophe Ende der 50er Jahre hatte er kontinuierlich an Ansehen und Macht verloren. Mao fürchtete, seinen Rückhalt im innersten Zirkel der Kommunistischen Partei in Peking zu verlieren, und suchte nach Wegen, um den Kreis um Staatspräsident Liu Shaoqi und Partei-Generalsekretär Deng Xiaoping zu entmachten. Er hatte nicht nur Zweifel, dass Liu Shaoqi als sein Nachfolger die Revolution fortführen würde, sondern sah diese Reformer sogar als "Konterrevolutionäre" und Bedrohung an.

Schüler und Studenten werden mobilisiert
In bewährter Taktik kritisierte er sie zunächst nicht selbst in der Öffentlichkeit, sondern lancierte eine Diffamierungskampagne gegen weniger einflussreiche Gefolgsleute der Parteiführung im Kulturbetrieb. Nach diesem Schlag gegen die Kulturbürokratie ließ er ab Mai 1966 an der Universität in Peking Professoren und Studenten agitieren. Mit Wandzeitungen und Diffamierungen wurde Jagd auf angebliche "Rechtsabweichler" unter den Professoren gemacht. Im Sommer 1966 griff die Bewegung auch auf Schulen und andere Städte über. Die Pekinger Parteispitze war durch die Agitation massiv geschwächt, als Mao nach längerer Abwesenheit in die Hauptstadt zurückkehrte, um sich später auch persönlich in den Kampf um die Parteiführung einzuschalten.

Doch zunächst wartete Mao ab, ordnete die Schließung der Schulen und Universitäten an - sie sollten erst in zwei Jahren wieder ihre Türen öffnen - und ließ die von ihm entfesselten jugendlichen Rotgardisten ihren Gewaltrausch und Machtwahn frei ausleben. Sie brachten unsägliches Leid über Hunderttausende Familien. Niemand war vor ihrem Terror sicher. Wer heute noch vermeintliche Konterrevolutionäre diffamierte, konnte morgen schon selbst mit einem "Schandhut" auf dem Kopf am Pranger stehen und Arbeit, Ansehen sowie seine gesamte Lebensgrundlage verlieren. Die Gewalt richtete sich nicht nur gegen eine bestimmte Person, sondern erfasste regelmäßig auch Familienangehörige, Freunde, Mitarbeiter und Weggefährten. Eine Diffamierung löste eine Kettenreaktion aus. Auch führende Funktionäre und Minister wurden nicht geschont. Viele einflussreiche Kader hatten Angst, sich nachts zuhause aufzuhalten, weil sie fürchteten, von marodierenden Rotgardisten aufgespürt und an den Pranger gestellt zu werden.

Missliebige Nachbarn loswerden, Konkurrenten im Machtkampf in Parteigremien ausschalten, Personen, die zu viel über interne Konflikte wissen, zum Schweigen bringen - selbst solch persönliche Probleme konnten über den Terror der Rotgardisten schnell "gelöst" werden. Missgunst und Diffamierung waren weit verbreitet. Manche handelten noch nicht einmal aus Machtinteresse, sondern wollten einfach nur ihren Kopf retten oder ihre Familie schützen. Eine große Rolle spielten aber auch die immer größeren sozialen Konflikte im Land sowie die wachsende Distanz zwischen der Kommunistischen Partei und der Zivilbevölkerung. Der Hass auf sich bereichernde Funktionäre war in China auch damals schon weit verbreitet.

Gewalt und Schrecken gingen nicht nur von Rotgardisten aus, sondern auch von Teilen des Militärs, von Revolutionskomitees oder Rebellen, die sich angesichts des Machtvakuums des Staates regional organisiert hatten. Manche dieser um die Macht ringenden Gruppen bekämpften sich auch gegenseitig, sodass in vielen Städten eine Atmosphäre des Bürgerkriegs herrschte. Bereits nach wenigen Monaten entglitt den zentralen Parteistrukturen die Macht über den Konflikt und lokale oder regionale Akteure bestimmten zusehends das Geschehen. Absolute Straflosigkeit für alle Übergriffe und Verbrechen schürte noch die Gewalt.

Kampf gegen die "vier alten Übel"
Die Ausbreitung des Terrors begünstigte den weitgehenden Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. Gezielt wurde zum Bruch mit den alten konfuzianischen Werten wie Verehrung der Eltern und Ahnen aufgerufen und unter revolutionären Parolen zum Kampf gegen die "vier alten Übel", also die alten Kulturen, alten Denkweisen, alten Sitten und alten Gewohnheiten aufgerufen. Vor allem für Tibeter, Uiguren, Mongolen und andere Nationalitäten, die nicht der Mehrheitsbevölkerung der Han-Chinesen, ethnische Chinesen, angehörten, hatte dies schwerwiegende Folgen. Denn dieser Leitspruch kam einer pauschalen Kriegserklärung gleich: Gegen ihre Kultur, Sprache, Traditionen, Feste, kurzum gegen alles, was ihre Existenz und Vielfältigkeit ausmachte.

Die offiziell auch heute noch als "Große Proletarische Kulturrevolution" bezeichnete Säuberungswelle gliederte sich regional unterschiedlich in mehrere Phasen. Sie ging zunächst von der Hauptstadt aus, weil Mao vor allem in Peking die Machtverhältnisse grundlegend verändern wollte, und erreichte abgelegene Landesteile zum Teil zeitlich stark verzögert. So erreichten die blutigen Ausschreitungen und die Gewalt in Peking im Sommer 1966 ihren Höhepunkt. Ab 1968 stabilisierte sich dort langsam wieder die Lage und dem Terror der Rotgardisten wurde immer deutlicher Einhalt geboten, bis 1976 die Kulturrevolution endete. In der Inneren Mongolei hingegen waren die willkürlichen Ausschreitungen gegen Mongolen in den Jahren 1968/69 am schlimmsten. Auch in Tibet dauerte der Terror deutlich länger als in Peking und hielt noch weit bis in das Jahr 1969 an.

Als die Kulturrevolution im Sommer 1966 ausbrach, hatte es in der Volksrepublik seit Staatsgründung 1949 bereits 15 oft mehrere Jahre lang dauernde und zum Teil parallel verlaufende Kampagnen [Mehr Informationen ab Seite 22] der Kommunistischen Partei gegeben. Sie hatten Millionen Menschen das Leben gekostet. Diese Kampagnen wurden vor allem von Parteigremien vorangetrieben. Bei der Kulturrevolution wich Mao von diesem Modell ab. Er setzte auf eine "Massen-Kampagne", die von Schülern, Studenten und Arbeitern getragen wurde. Gezielt sollte damit auch die Säuberung der Partei durch Nicht-Parteimitglieder betrieben werden. Neben den Machtkämpfen spielten soziale Spannungen und Generationenkonflikte eine große Rolle.

Chinas Städte versinken in Gewalt
Um die Agitation im ganzen Land zu verbreiten, durften die Rotgardisten frei reisen und sollten überall mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Doch zunächst beschränkte sich die Bewegung vor allem auf Peking und die größeren Städte im Osten des Landes. So fanden in der Hauptstadt Massenkundgebungen mit mehr als einer Million Demonstranten statt, um im Beisein Maos die Fortführung des "revolutionären Kampfes" zu beschwören. Mao ermutigte Schüler in Briefen, die die jungen Leute millionenfach weiterverbreiteten, sich "aufzulehnen". So beglückwünschte er in einem Brief am 1. August 1966 die Kinder hoher Parteikader dazu, dass sie Mitschüler aus "konterrevolutionären" Familien öffentlich gebrandmarkt und dazu gezwungen hatten, Seile um den Kopf zu tragen. Ihre Schuldirektorin hatten die Schülerinnen einer Mädchenschule bei einer Strafaktion erschlagen. Eine der Mittäterinnen zeichnete Mao mit einer Armbinde der Roten Garden aus. Als er sie nach ihrem Namen fragte, erklärte sie, sie heiße "Song Bin-bin" ("wohlerzogen und sanft"). Da soll er ihr geraten haben: "Sei gewalttätig." Auch ihre Schule wurde umbenannt in die "Rote gewalttätige Schule".

Mao forderte mehr Bewegung im Land, die Revolution müsse von Dauer sein und alle paar Jahre erneuert werden. Dass er diese stetige Revolution nutzen wollte, um Widersacher wirkungsvoll auszuschalten, verriet er nicht öffentlich. Niemand - nicht einmal Personen in unmittelbarer Nähe von Mao - war sicher vor Anschuldigungen und Verfolgung. Selbst sein langjähriger Leibarzt Li Zhisui, der sich nach Maos Tod 1976 öffentlich von dem "Großen Vorsitzenden" distanzierte und ihn in seiner Biografie als eiskalten Machtmenschen beschrieb, lebte in ständiger Angst, eliminiert zu werden. Dabei hatte sich der Arzt, der auch die internsten Parteidokumente kannte, immer sehr vor politischen Stellungnahmen für irgendeinen Parteiflügel zurückgehalten, um nicht einer Säuberungswelle zum Opfer zu fallen. Mao forderte absolute Treue von ihm und anderen Menschen in seiner direkten Umgebung und testete ihre Folgsamkeit auch regelmäßig. "Alles ist auf den Kopf gestellt. Ich liebe große Umwälzungen", erklärte Mao seinem Arzt im Juli 1966. In einem Brief an seine damals in Schanghai lebende Ehefrau Jiang Qing schrieb er: "Ein großes Chaos wird zu einer großen Ordnung führen. Der Kreis schließt sich alle sieben oder acht Jahre. Die Dämonen und Ungeheuer werden sich selbst verraten. Der Charakter ihrer Klasse verlangt es."

Alte Kultur wird systematisch zerstört
Mit Billigung der Behörden durchsuchten die Rotgardisten willkürlich Wohnungen und Häuser, zerstörten Gemälde und antike Relikte, verbrannten Bücher und vernichteten Musiksammlungen. Auch Kulturdenkmäler in den Straßen wurden niedergerissen und zerstört. Alles, was für "alte Kultur" stand, wurde wahllos vernichtet. In der Hauptstadt wurden mindestens 4.900 Denkmäler zerstört. Viele dieser Zerstörungen erfolgten nicht spontan, sondern waren sorgsam vorbereitet. Der Staat verwertete die Materialien, die wertvoll oder nutzbar waren. Selbst der Konfuzius-Tempel in der Stadt Qufu (Provinz Shandong), der in ein Museum umgewandelt worden war, wurde nicht geschont, sondern verwüstet.

Offiziellen Statistiken zufolge wurden allein im August/September 1966 in Peking 33.695 Häuser und Wohnungen durchsucht und verwüstet sowie 1.772 Menschen gefoltert oder erschlagen. Die meisten Privatpersonen verloren ihr ganzes Eigentum. Tonnenweise beschlagnahmten die Rotgardisten Edelsteine, Gold, Bargeld und andere Wertgegenstände für den Staat. Eine gewaltige Umverteilung des Eigentums, darunter auch viele illegal angeeignete Wertgegenstände, setzte ein.

Auch nach dem Verlust ihres Eigentums dauerte für viele Familien der Schrecken weiter an. Denn um die Städte nach Maos Willen in Industriegebiete zu verwandeln und um dringend benötigten Wohnraum zu gewinnen, wurden im September 1966 fast 100.000 Pekinger auf das Land verbannt. Selbst während ihrer Ausweisung waren die aller ihrer Wertsachen beraubten Familien noch schutzlos dem Terror der Rotgardisten ausgesetzt. Augenzeugen berichteten später, wie den Kindern der Verbannten vor ihrem Abtransport befohlen wurde, sich hinzuknien, und die Eltern zuschauen mussten, wie ihren Kindern kochendes Wasser über die Finger gegossen wurde.

Kulturrevolution veränderte öffentliches Leben
Auch das öffentliche Leben wurde massiv von der Kulturrevolution geprägt. So waren an jeder Straßenkreuzung und in Parks Lautsprecher angebracht worden, über die fortwährend Mao-Zitate propagiert wurden. In jeder Straße wurde mindestens ein Plakat mit seinen Leitsprüchen aufgehängt. Buchhandlungen durften keine klassische Literatur mehr verkaufen, sondern mussten die Mao-Bibel verbreiten. Wer als vermeintlicher "Rechtsabweichler" oder "Kapitalist" gebrandmarkt wurde, musste eine Plakette tragen. Kinder wurden aufgefordert, öffentlich ihre Eltern zu kritisieren. Schüler sollten Kritik an ihren Lehrern üben. Hunde, Katzen oder Fische durften nicht als Haustiere gehalten werden, sie galten als Statussymbole der Oberschicht. Jeder Wohnraum musste von mindestens drei Menschen bewohnt werden. Rauchen oder das Trinken von Alkohol war niemandem gestattet, der jünger als 35 war. Außerdem war es verboten, Parfüms, Lippenstift oder Kosmetika zu benutzen. Ausgefallene und modische Kleidung oder Schuhe waren verpönt, Jeans und T-Shirts untersagt. Die Menschen sollten blaue oder grüne Mao-Anzüge tragen.

Neben dem Terror der Rotgardisten mussten sich Millionen Funktionäre und Parteimitglieder in ihren Betrieben in endlosen "Kampfsitzungen" zu Anschuldigungen äußern und öffentlich Selbstkritik üben. Ihre Ämter und ihr Ansehen verloren sie meist trotzdem. Die mit engen Vertrauten Maos besetzte Zentrale Fallstudien-Gruppe untersuchte 1.262 besonders schwerwiegende Fälle von "Rechtsabweichlern", die in der Haft mit Schlaf- und Nahrungsentzug sowie mit Schlägen gefoltert wurden. Viele starben daran.

Um den Terror der Rotgardisten in den großen Städten einzudämmen, wurden 1968 bis zu 14 Millionen Schüler und Studenten auf das Land geschickt, um dort zu arbeiten. Viele kehrten erst nach zehn Jahren wieder zurück.

Die Revolution geht weiter
Mao konnte mit der Kulturrevolution zwar kurzzeitig die "Reformer" aus Machtstellungen verdrängen, doch langfristig scheiterte er mit seinem blutigen Konzept der fortwährenden Revolution. So sorgte er zwar dafür, dass Staatspräsident Liu Shaoqi sein Amt verlor, inhaftiert und 1969 einen qualvollen Tod starb - er war schwer krank und wurde medizinisch nicht behandelt. Doch der von ihm verachtete Partei-Generalsekretär Deng Xiaoping fiel 1966 erst in Ungnade, wurde dann aber 1973 rehabilitiert und zum stellvertretenden Ministerpräsidenten ernannt. Maos Ehefrau Jiang Qing wurde besonders wegen ihrer Radikalität und Willkür gefürchtet. Sie wurde nach Maos Tod am 9. September 1976 gemeinsam mit drei weiteren führenden Politbüro-Mitgliedern am 6. Oktober 1976 verhaftet. Dieser sogenannte "Viererbande" und sechs weiteren Personen aus dem Umfeld des ehemaligen Verteidigungsministers Lin Biao wurde 1980 schließlich der Prozess gemacht. Sie wurden wegen der Verfolgung von 727.420 Menschen und der Tötung von 34.274 Personen angeklagt. Jiang Qing wurde mit einem anderen Angeklagten zum Tod verurteilt. Später wurden diese Strafen in lebenslange Haft umgewandelt. Andere wurden zu 16 bis 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Maos Witwe nahm sich 1991 in der Haft das Leben.

Die Partei zog in einer am 27. Juni 1981 verabschiedeten Resolution eine katastrophale Bilanz der Kulturrevolution. Sie sei einer der "schwerwiegendsten Rückschläge" in der Geschichte der Volksrepublik gewesen, erklärte das Zentralkomitee.

Bilanz des Schreckens
Zehn Jahre Kulturrevolution haben unendliches Leid über China gebracht. Millionen Menschen sind bis heute traumatisiert. Die meisten Intellektuellen waren gestorben oder in Arbeitslager verschleppt. So gut wie jede Familie in Peking und anderen Großstädten war unmittelbar von der Gewalt betroffen. Unschätzbar wertvolle Kulturgüter waren zerstört. Niemand kann bis heute exakt sagen, wie viele Menschen genau der Kulturrevolution zum Opfer fielen. Doch ernstzunehmende Schätzungen gehen davon aus, dass rund drei Millionen Menschen getötet und 125 Millionen unter Verfolgungen und Menschenrechtsverletzungen gelitten haben. 1966 haben Rotgardisten mindestens 100.000 Menschen getötet. Im Terror immer mehr im Land aus. Es kam auch zu Massakern und Pogromen, sodass es 1967 rund 237.000 Tote gegeben haben soll. 1969 sollen allein in der Provinz Anhui 188.225 Menschen als "Klassenfeinde" festgenommen, 1.433 von ihnen zum Tode verurteilt und 4.646 in den Selbstmord getrieben worden sein.

Doch selbst mit der Festnahme der "Viererbande" endete der Schrecken nicht: 1977 wurden noch 44 prominente inhaftierte politische Gefangene getötet, weil sie Mao kritisiert hatten. Erst nach ihrer Hinrichtung wurden sie rückwirkend rehabilitiert.

Aus pogrom-bedrohte Völker 292 (1/2016)