Die Gesellschaft für
bedrohte Völker appelliert an die Fraktion der Grünen
im Europaparlament, sich für den demokratischen Wiederaufbau
Afghanistans zu engagieren. Am Rande der Fraktionssitzung der
Grünen in Meran/Südtirol-Italien fand ein Treffen mit
der Fraktionsführung und dem Afghanistan-Experten Michael
Pohly (Dozent am Institut für Iranistik an der FU-Berlin,
Mitarbeiter der Ebert-Stiftung und der Zeitschrift "pogrom" der
Gesellschaft für bedrohte Völker) statt. Die grüne
Delegation versicherte Pohly, sich der afghanischen Belange
anzunehmen. Dieses Engagement ist mehr als notwendig:
Kriegsverbrechen und bis heute andauernde schwere
Menschenrechtsverletzungen der rivalisierenden Warlords in
Afghanistan dürfen nicht länger tabuisiert werden. Wer
den Terror der Taliban verurteilt, aber nicht entschieden gegen
die Verbrechen seiner heutigen Bündnispartner in Afghanistan
vorgeht, verspielt seine Glaubwürdigkeit, schreibt
GfbV-Asienreferent Ulrich Delius in seinem Bericht über die
Menschenrechtslage in Afghanistan (www.gfbv.de/dokus/memo/Petersberg.pdf).
Die GfbV forderte eine unabhängige Untersuchung der
Übergriffe durch eine internationale Kommission.
Selbst ein so schwerer Vorwurf wie der
Massenmord an mehr als 1.000 gefangenen Taliban-Anhängern
ist monatelang ignoriert worden, wirft Delius der
Antiterror-Koalition und der afghanischen Regierung vor. Für
den gewaltsamen Tod der Kriegsgefangenen im Dezember 2001 soll
der stellvertretende Verteidigungsminister Afghanistans, General
Abdul Rashid Dostum, verantwortlich sein. Es ist ungeheuerlich,
dass der Usbeken-General ungestraft Zeugen dieses Verbrechens
inhaftieren und foltern lassen kann, um sie an belastenden
Aussagen zu hindern.
Die Gefangenen sollen während des Transports zu einem Lager
in Dasht-e-Leili im Norden des Landes in Container-Lastwagen
qualvoll erstickt sein, hatte die amerikanische
Menschenrechtsorganisation Physicians for Human Rights bereits im
Januar 2002 berichtet. Bis heute sind keine konkreten Initiativen
zur Aufklärung dieses Verbrechens und zur Bestrafung der
Täter ergriffen worden und entgegen den Angaben des
UN-Sonderberichterstatters für Afghanistan, Lakhdar Brahimi,
ist der Tatort monatelang nicht gesichert worden.
Die Antiterror-Koalition hat mit der Wahl dieser
Bündnispartner den Bock zum Gärtner gemacht. Dostum,
Provinzgouverneur Ismail Khan und andere Warlords stehen nicht
für Menschenrechte, sondern für Machtmissbrauch und
Willkür. In seinem Memorandum warnt Delius vor einer
Gefährdung des Wiederaufbaus in Afghanistan durch die
Warlords, die ihre Milizen seit Jahren mit dem Opium-Anbau
finanzieren. Afghanistan-Experte Pohly bestätigt die
GfbV-Kritik. Nach einem sechsmonatigen Afghanistan-Aufenthalt
kommt Pohly zum Schluß, dass nur mit einem
Stabilitätspakt Afghanistan eine Perspektive
erhält.
Siehe auch: "Demokratische Perspektiven nach den Taleban" (www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030128de-dok.html)