An den Regionenminister Enrico La Loggia,
den Außenminister Franco Frattini,
den Europaminister Rocco Buttiglione
Bozen, 15. Oktober 2003
Sehr geehrte Herren,
Die Gesellschaft für bedrohte Völker - Südtirol
(GfbV) fordert Sie auf, die Charta der Regional- und
Minderheitensprachen des Europarates vollinhaltlich umzusetzen.
Zeigen Sie den von Ihnen vielbeschworenen europäischen Geist
und verpflichten Sie die Republik mit einem
großzügigen Ratifizierungsgesetz zur Umsetzung der
vorgesehenen 100 Maßnahmen der Charta.
Die Republik Italien hat den Verfassungsauftrag des
Minderheitenschutzes, wie ihn der Artikel 6 formuliert, erst
spät umgesetzt. Vielfach ist das oft geplante und
angekündigte Rahmengesetz am Widerstand Ihres
Bündnispartners Alleanza Nazionale, einst MSI, gescheitert.
Erst die von Ihnen abgelöste Mitte-Links-Regierung kam der
Verfassungsverpflichtung mit der Verabschiedung eines
Minderheitenschutzes nach. Bei Ihren Auftritten in Südtirol,
bekennen Sie sich, Herr La Loggia und Herr Frattini, immer wieder
zum Schutz und zur Förderung der Sprachminderheiten. Setzen
Sie Ihr Bekenntnis endlich um und sorgen Sie dafür,
daß die Charta ohne Abstrich umgesetzt werden kann.
Laut der Studie "euromosaic" der EU-Kommission haben von den 13
Minderheitensprachen in Italien mehr als die Hälfte "keine"
Überlebensfähigkeit mehr. Die Folge der bisher
betriebenen Politik der Diskriminierung der Sprachminderheiten.
Wir unterstützen deshalb die Forderung der SVP in der
Abgeordnetenkammer zugunsten der gänzlichen Umsetzung der
Charta mit einem entsprechend weitgesteckten
Ratifizierungsgesetz.
Sorgen Sie dafür, daß die von der Spracherosion
betroffenen Sprachminderheiten als "faktisch benachteiligte"
Gruppen endlich gefördert werden und zwar mit
muttersprachlichen Kindergärten und Schulen,
muttersprachlicher medialer Versorgung und der Anerkennung der
Ortsnamen in der Minderheitensprachen. Das Ratifizierungsgesetz
zur Charta ist geeignet, nach Jahren der
Nichtberücksichtigung der Sprachminderheiten ein
entsprechendes Paket zu erlassen.