Bozen, Göttingen, Genf, 22. Oktober 2003
Russland will dem Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen
UN) die katastrophale Situation der Zivilbevölkerung in
Tschetschenien verschweigen. Das geht nach Angaben der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aus dem
fünften Staatenbericht Russlands zur UN- Konvention
über politische und zivile Rechte hervor, der dem UN-
Menschenrechtskomitee in Genf am Donnerstag vorgetragen werden
soll. "Diese UN-Konvention wird in Tschetschenien tagtäglich
und systematisch verletzt", kritisierte der
GfbV-Europareferentin, Sarah Reinke, am Mittwoch in
Göttingen, "doch Moskau erklärt seinen Völkermord
in dem Bericht propagandistisch zu einer "Anti-Terror- Aktion"
und versucht so, die UN über die Realität
hinwegzutäuschen."
Zwar werde in dem Bericht betont, wie wichtig die Aufklärung
von Verbrechen von Militärangehörigen an
tschetschenischen Zivilisten sei, doch die Täter
müssten in Wirklichkeit kaum mit Verfolgung und Bestrafung
rechnen, resümiert die GfbV in einem Kurzmemorandum zum
russischen Staatenbericht. Mord, Verschleppung und Folter auf
Polizeistationen seien an der Tagesordnung. "Im Durchschnitt
verschwinden monatlich zwischen 30 und 50 Zivilisten spurlos, 20
bis 30 Personen werden ermordet aufgefunden", berichtete Reinke.
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates habe der
russischen Staatsanwaltschaft ein ausführliches Verzeichnis
von Straftaten gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung
übergeben. 302 Fälle seien auch untersucht worden, doch
nur in sechs Fällen seien Strafen verhängt
worden.
"Das Gebäude aus Lügen und Propaganda, welches der
Kreml zu Tschetschenien und zu seiner eigenen
Menschenrechtspolitik aufgebaut hat, müssen wir durch die
Verbreitung der Wahrheit zum Einstürzen bringen", sagt die
tschetschenische Menschenrechtlerin und Partnerin der GfbV,
Zainap Gaschajewa. Sie wird am Donnerstag in Genf sein und bei
der Präsentation des Staatenberichtes als kritische
Beobachterin dabei sein.