Bozen, Göttingen, Abéché, 13. August 2004
Die Fact-Finding Mission der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) im Tschad an
der Grenze zum Sudan berichtet, dass der sudanesische
Geheimdienst Flüchtlingslager immer systematischer
infiltriert und die Schutzsuchenden massiv unter Druck setzt, in
den Sudan zurückzukehren. "Die Lagerinsassen klagen, dass
auch die meist schwarzafrikanischen Mitarbeiter der Caritas
Tschad SECADEV (Secours Catholique pour le Developpement -
Katholische Entwicklungshilfe) sich nicht gegen die Drohungen der
sudanesischen Geheimdienstler wehren können geschweige denn
die Flüchtlinge schützen", berichteten die drei in die
Krisenregion entsandten GfbV-Mitarbeiter telephonisch am Freitag.
Sie haben in dem Lager Farchana rund 60 Kilometer östlich
der Grenzstadt Adre Befragungen durchgeführt und
Augenzeugenberichte dokumentiert. "Nach allen Aussagen auch von
Hilfsorganisationen toleriert und begünstigt die Regierung
des Tschad das Vorgehen der sudanesischen Verfolger",
ergänzte der Präsident der GfbV International, Tilman
Zülch.
Das Nachrichtenzentrum der UNO hat inzwischen bestätigt,
dass es in dem Lager Farchana kürzlich einen Aufstand
gegeben habe, bei dem zwei Vertriebene - ein Mann und eine Frau -
getötet worden seien. 16 Demonstranten seien von
Behörden des Tschad inhaftiert worden. Nach Auskunft des
GfbV-Teams hatte sich die Demonstration gegen die von der
Tschad-Regierung geduldete Infiltration des Geheimdienstes
gewandt. Im Lager Farchana leben zurzeit rund 13.000
Vertriebene.
Die GfbV warnte vor einer neuen Flüchtlingstragödie.
"Die Regenzeit lässt die Wadis voll laufen und Militär
und Milizen haben es so leichter, die Flüchtlinge noch vor
der Grenze abzufangen", schilderte die GfbV-Fact-Finding Mission.
Nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation werden
immer mehr Flüchtlinge in entlegenen Regionen, in denen sie
sich verbergen, Hunger und Krankheiten zum Opfer fallen. Schon
jetzt reichen Schätzungen der Hilfsorganisationen von
täglich mehrere hundert über 1400 bis zu 2000
Sterbenden pro Tag, vor allem unter Kindern, Alten und Kranken
sowie jenen, die den Massakern verwundet entkommen sind.
Die GfbV-Mitarbeiter führen Befragungen unter den
Flüchtlingen durch, dokumentieren Augenzeugenberichte
über Verbrechen und notieren die Namen der Täter. Sie
brechen heute in andere in andere Flüchtlingslager weiter
nördlich auf und sind deshalb in den nächsten Tagen
telephonisch leider nicht mehr erreichbar.