Bozen, Göttingen, Berlin, Sarajevo, 1. Dezember 2004
Der erste Befehlshaber der EU-geführten Schutztruppe in
Bosnien EUFOR, Generalmajor David Leakey, hat offensichtlich
schon "kapituliert". "Seine Erklärung, Bosniens
Behörden hätten die Verantwortung, die Kriegsverbrecher
zu jagen, wird das Regierungssystem aus Kriegsverbrechern und
kriminellen Politikern in der so genannten bosnischen
Teilrepublik Srpska weiter stabilisieren", warf der
Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker
International (GfbV), dem neuen Kommandeur der westlichen Truppen
in Bosnien vor. "Wenn es den Tätern selbst überlassen
wird sich für ihre Verbrechen zu richten, können in
Bosnien keine rechtsstaatlichen Verhältnisse entstehen. So
bleiben die ethnischen Säuberer an der Macht und verhindern
den EU-Beitritt Bosniens." Die spätere Ankündigung des
Generalmajors, die EUFOR wolle in Bosnien Radovan Karadzic jagen,
verblasst nach Auffassung der GfbV so zu einem "kläglichen
Lippenbekenntnis". Die EU übernimmt am Donnerstag den
Oberbefehl über die bisher Nato-geführte Schutztruppe
SFOR.
"Nachdem UNPROFOR, IFOR und SFOR bereits versagt haben, die
Hauptkriegsverbrecher festzunehmen und ihr politisches System
aufzulösen, fehlt jetzt offensichtlich auch der EU der
politische Wille, im serbisch kontrollierten Teil Bosniens
zivilisierte Zustände herzustellen", kritisierte Zülch.
Dabei könnte sich Generalmajor Leakey an dem Vorgehen der
britischen SFOR-Einheiten im Distrikt Prijedor orientieren. Die
Briten hatten dort schnell und konsequent die führenden
Kriegsverbrecher festgenommen und nach Den Haag überstellt.
Prijedor ist die einzige Region der so genannten Republika
Srpska, in der eine Massenrückkehr der vertriebenen
muslimischen Bevölkerung stattfinden konnte.
In anderen Regionen der Republika Srpska wird eine Rückkehr
der Vertriebenen bisher weitgehend von den Anhängern der
Karadzic-Partei SDS sabotiert. Allein um die ehemalige
UN-Schutzzone Srebrenica im Drina-Tal, dem Schauplatz der
schrecklichsten Verbrechen des Völkermordes in Bosnien, sind
nach Recherchen der GfbV international noch immer rund 500
Kriegsverbrecher auf freiem Fuß. Einige von ihnen bekleiden
Ämter in der Administration und Schulen.