Bozen, 26. Jänner 2005
Offener Brief an die Teilnehmer des 7. Oberwarter Volksgruppenkongresses des Österreichischen Volksgruppenzentrums
Liebe Freunde, sehr geehrte Damen und Herren,
Die Gesellschaft für bedrohte Völker-Südtirol
(GfbV) unterstützt im Namen der GfbV-international den vom
Volksgruppenzentrum in der vorbereiteten "Oberwarter
Erklärung" geforderten einheitlichen Minderheitenschutz
für die sechs Sprachminderheiten in Österreich. Es
macht Sinn, wenn laut Erklärung der Minderheitenschutzes
für alle minderheitlichen Sprachgruppen auf dem Niveau des
Artikels 7 der jetzigen österreichischen Bundesverfassung
vereinheitlicht wird und internationale Verträge wie die
Rahmenkonvention und die Sprachencharta des Europarates darin
miteinbezogen sind.
Es ist enttäuschend, dass im Entwurf des Präsidenten
des Verfassungskonvents nur die kroatische und slowenische
Sprachgruppe aufgelistet sind, die vier übrigen fehlen. Aber
auch für die kroatisch- und slowenischsprachigen Bürger
bringt dieser Entwurf einen großen Rückschritt. Mit
der Annahme dieses Entwurfs stiehlt sich Österreich aus der
Verantwortung für seine Sprachminderheiten. Auf Wunsch der
SVP engagierte sich Österreich in der italienischen
Föderalismusdebatte zurecht für die Südtiroler
Anliegen, im eigenen Land übergeht Südtirols
Schutzmacht kaltschnäuzig Wünsche und Forderungen der
Sprachminderheiten.
Die Reaktionen der tschechischen, slowakischen und ungarischen
Organisationen waren einhellig: Der Entwurf wird abgelehnt. Auch
die Roma kritisierten den Entwurf als "niederschmetternd". Die
Lage der Roma lässt sich nur verbessern, wenn sie einen
entsprechenden - seit langem geforderten - Rechtsschutz erhalten,
der zudem nicht an traditionelle Siedlungsgebiete gebunden werden
darf.
Anlässlich des 10. Jahrestages der Ermordung von vier
Angehörigen der Roma in Oberwart sollte Österreich
endlich einen großen Wurf wagen. Wir greifen die Idee des
ehemaligen SVP-Fraktionssprechers im Südtiroler Landtag,
Hubert Frasnelli, auf, der ein Paket für die sechs
Sprachminderheiten Österreichs angeregt hatte. Ein Paket,
das diesen Namen verdient, das das demografische Verschwinden der
"anderen" Österreicher und die österreichische
Germanisierung der sechs Sprachminderheiten stoppt. Ein Paket,
das die faktische Diskriminierung beenden soll, um die
Sprachminderheiten tatsächlich zu fördern. Diese selbst
sollen es dann sein, die feststellen, ob Österreich seine
Verpflichtungen gegenüber den Minderheiten erfüllt hat
und nicht die FPÖ, die in Kärnten eine radikale
minderheitenfeindliche Politik betreibt, die Erkenntnisse des
Verfassungsgerichtshofes torpediert und deren Umsetzung
verhindert.