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Österreich / Konsenskonferenz: Offener Brief an den Bundeskanzler der Republik Österreich Wolfgang Schüssel

Die Antwort von ÖVP-Clubobmann Wilhelm Molterer und unsere Gegenantwort

Bozen, 5. April 2005

An die Gesellschaft für bedrohte Völker, info@gfbv.it

Wien, 14.03.2005

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu Ihrem offenen Brief an Bundeskanzler Dr. Schüssel, den Sie mir mittels e-mail ebenfalls zukommen haben lassen, gibt es viel zu erwidern. Ich beschränke mich auf einige wenige Punkte:

Ihre Auffassung, der damalige Bundeskanzler Dr. Kreisky hätte die Ortstafelfrage seinerzeit bestens gelöst, kann ich in keinster Weise teilen. Gerade einen derartigen Sturm der Entrüstung gegen die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln wollen wir mit unserer behutsamen Vorgangsweise verhindern. Dafür ist uns auch die von Bundeskanzler Schüssel initiierte - von der SPÖ aber jahrelang verschleppte - Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln im Burgenland, bei der es keinerlei Proteste gab, sondern die vielmehr im Einvernehmen mit allen Bevölkerungsgruppen durchgeführt wurde, ein sehr gutes Beispiel. So wollen wir Volksgruppenpolitik machen, indem wir alle Bevölkerungsgruppen informieren und einbinden, nicht aber durch die rasche Erlassung einer Verordnung, welche dann erst mit Polizeigewalt umgesetzt werden müsste. Übrigens darf ich daran erinnern, dass es auch der damalige Kanzler Dr. Kreisky nicht geschafft hat, alle Ortstafeln aufzustellen, zu denen wir verpflichtet gewesen wären.

Daher sehen wir die Konsenskonferenz als den einzigen gangbaren Weg an, alle irrelevanten Gruppen zur Lösung der Ortstafelfrage miteinzubinden. Der Erfolg der Runde vom letzten Sonntag hat uns darin bestätigt.

Mit freundlichen Grüßen, Mag. Wilhelm Molterer eh., Klubobmann

Unsere Gegenantwort

An den ÖVP-Clubobmann Wilhelm Molterer

Bozen, 5.4.2005

Sehr geehrte Herr Molterer,

Dankeschön für Ihre rasche Antwort. Unsere Reaktion folgt etwas verspätet. Sie haben zweifelsohne Recht. Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte die Ortstafelfrage nicht bestens gelöst. Meinen wir auch, konnte er auch gar nicht, weil ihm dafür Partner fehlten. Ein Zitat aus unserem Schreiben: "Folgen Sie dem engagierten Beispiel Ihres Vorgängers Bruno Kreisky, der trotz radikalen Widerstandes aus Kärnten die Aufträge zum Minderheitenschutz aus dem Artikel 7 des Staatsvertrages - wenn auch Jahre verspätet - umzusetzen begann. Die Volksgruppengesetze tragen die Handschrift Kreiskys und Ihres verstorbenen Parteifreundes Felix Ermarcora".

Bundeskanzler Kreisky begann 1972 den Auftrag aus dem Artikel 7 des Staatsvertrages umzusetzen. 17 Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrages. All die Maßnahmen und Initiativen liefen ins Leere, erst der Ortstafelerlass machte aus dem Thema ein Politikum, weckte ein "Ungeheuer" auf, wie der ÖVP-Experte Felix Ermarcora das antislowenische Beben in Kärnten beschrieb. Immerhin hatte der Aufstand der sogenannten Deutschnationalen in Kärnten letztendlich 1976 das noch immer gültige, aber verstaubte, Volksgruppengesetz zur Folge.

Das unkompliziert mehrsprachige Burgenland ist sicherlich das Gegenstück zu Kärnten, in dem der alte deutschösterreichisch-slowenische Nationalitätenkonflikt, die Vertreibung der Alt-Österreicher 1918 aus dem gegründeten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen und die ethnische Säuberungen durch die Tito-Partisanen - kaschiert und begründet als als kollektive Bestrafung der Deutschen wegen ihrer angeblichen kollektiven NS-Kollaboration - immer noch gespürt werden.

Wir können Ihren Ausführungen trotzdem nicht folgen - sie wollen behutsam die Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln vornehmen? Sie wollen ein verbrieftes Recht, bestätigt auch vom Verfassungsgericht, behutsam umsetzen, im Einvernehmen mit allen Bevölkerungsgruppen? Wenn sich aber gewichtige Bevölkerungsgruppen dagegen aussprechen? Opfern Sie dann das verbriefte Recht dem "Ungeheuer"?

Laut dem Volksgruppengesetz steht die Aufstellung von noch 20 zweisprachigen Ortstafeln aus. Laut dem Urteil der Verfassungsrichter müssen in allen Gemeinden mit mehr als zehn Prozent slowenischen Anteil an der Bevölkerung zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden. Warum braucht es dazu einen Konsens? Ist es in Österreich üblich, die Umsetzung verbriefter Rechte einem gesellschaftlichen Konsens zu unterwerfen? Südtirol würde angesichts einer solchen Praxis wahrscheinlich noch immer auf seine Autonomie warten.

Sie erwähnen den Erfolg der Konsenskonferenz. Besteht er darin, dass Umsetzungsbedarf festgestellt wurde? Es mutet seltsam an, dass die österreichische Bundesregierung einen "Maßnahmenkatalog" zur Unterstützung zweisprachiger Gemeinden "schmackhaft" macht, im Gegenzug eine gemeinsame Streitbeilegungserklärung in der Ortstafelfrage "anregt".

Mit freundlichen Grüßen, Gesellschaft für bedrohte Völker

Siehe Offener Brief an den Bundeskanzler der Republik Österreich Wolfgang Schüssel in www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050308ade.html


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050308ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050124ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050112ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040705de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040701de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040220de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031110de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/031110de.html | www.gfbv.it/3dossier/oevz/2005/050112.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/oe-klestil.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/oe-konvent.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/regenbogen.html

* www: www.nsks.at/aktualno.php | www.magnifique.at/gradivo/050303_nsks_kancler.pdf | www.magnifique.at/gradivo/050303_nsks_stufenplan.pdf

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