Bozen, Göttingen, 7. August 2006
Auf allen Kontinenten
werden die Ureinwohnergemeinschaften zunehmend an den Rand ihrer
Existenz gedrängt. Diese Bilanz zieht die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich des
Internationalen Tages der indigenen Völker - wie die
Vereinten Nationen die Ureinwohner nennen -, der am Mittwoch (09.
August) begangen wird. Selbst in unwirtlichen, ökologisch
jedoch oft sensiblen und manchmal sogar geschützten
Rückzugsgebieten sind indigene Gemeinschaften nicht sicher
vor Bergbau- und Energieunternehmen, vor Ölkonzernen oder
Holzfirmen, die die natürlichen Ressourcen auf ihrem Land
rücksichtslos für sich nutzen wollen. Dabei wird oft
nicht nur die irreparable Zerstörung der Umwelt in Kauf
genommen, sondern auch die Vernichtung der Lebensgrundlage und
damit der Kultur indigener Gemeinschaften.
Der Kreislauf der Zerstörung beginnt in vielen Ländern
mit dem Kahlschlag der Wälder, in und von denen viele
Ureinwohner leben, zeigt die GfbV in ihrem neuen 45-seitigen
Menschenrechtsreport zur Situation der indigenen Völker an
mehreren Beispielen. Das Holz der Bäume und die
Förderung von Erdöl und Erdgas auf dem abgeholzten Land
versprechen hohe Gewinne, die sich mit der nachhaltigen
Wirtschaftsweise der indigenen Völker nicht erzielen lassen.
Durch Erdöl- und Erdgasförderung akut bedroht sind
beispielsweise die Lubicon Lake Cree-Indianer in Kanada oder die
Gwich'in in Alaska im Naturschutzgebiet Alaska National Wildlife
Refuge, die Huaorani in Ecuador im von der UNESCO zum Welterbe
erklärten Yasuní-Nationalpark oder die indigenen
Völker in Sibirien. Wälder indigener Völker fallen
aber auch für Kaffeeplantagen in Vietnam, für
Eukalyptusplantagen der Zellstoffindustrie in Brasilien und Chile
oder für die Zellstoff- und Sperrholzproduktion im Gebiet
der Sámi in Finnland.
Vielfach sind indigene Völker schwerster Diskriminierung
ausgesetzt wie die Pygmäen in den zentralafrikanischen
Staaten, die bei der jeweiligen Mehrheitsbevölkerung als
"Untermenschen" gelten und denen angemessene
Gesundheitsversorgung oder Bildung vorenthalten werden. Oder sie
werden in Notsituationen vernachlässigt wie die isoliert
lebenden Bewohner einiger Andamanen Inseln beim Ausbruch einer
Masernepidemie oder die Tuareg- und Peulh-Nomaden während
einer lang anhaltenden Dürre in Niger und Mali. Nicht selten
verlieren Indigene mühsam erkämpfte Rechte wieder. So
hat die konservative Regierung in Australien die halbstaatliche
Selbstverwaltung der Aborigines abgeschafft und durch
Regierungsinstitutionen ersetzt.
Auf internationalem Parkett jedoch haben die Repräsentanten
der indigenen Völker erste Erfolge beim Kampf um ihre Rechte
erringen können, berichtet die GfbV. Immerhin habe der
UN-Menschenrechtsrat, der die Menschenrechtskommission bei seiner
ersten Sitzung im Juni 2006 ablöste, nach einer
Kampfabstimmung mit der Stimme Deutschlands eine Deklaration der
Rechte der indigenen Völker angenommen und an die UN-
Vollversammlung zur endgültigen Verabschiedung
überwiesen.
Indigene Völker sind die Hüter der kulturellen
Vielfalt der Erde. Ihr Reichtum sind ihre vielen Sprachen und
Kulturen, die Weisheit ihrer Religionen und ihres Umgangs mit der
Natur. Weltweit wird derzeit von 350 bis 400 Millionen Menschen
ausgegangen, die einem der ca. 5.000 indigenen Völker in 75
Staaten angehören. Der 09. August wurde von den Vereinten
Nationen 1994 zum Internationalen Tag der indigenen Völker
bestimmt. Zwölf Jahre zuvor hatte sich an diesem Tag zum
ersten Mal die UN-Arbeitsgruppe Indigene Bevölkerungen in
Genf getroffen, die seitdem jährlich tagt. Zu den
Ureinwohnern zählen die etwa 70 Millionen Adivasi in Indien,
die Sami im Norden Europas, die Indianer in Nord-, Mittel- und
Südamerika, die Aborigine in Australien, die San im
südlichen Afrika und viele andere.