Bozen, Göttingen, 18. April 2007
Die Energiepolitik Brasiliens geht auf Kosten der Ureinwohner
des Landes. Deshalb fordern zurzeit mehr als 1000 Indianer von
100 indigenen Völkern mit einer
öffentlichkeitswirksamen Aktion, dass sie in die Planungen
und die Ausführung von Regierungsprojekten zur
Energiegewinnung gleichberechtigt miteinbezogen werden und der
Prozess der Anerkennung ihrer Landrechte deutlich beschleunigt
wird: Sie haben eine Zeltstadt vor dem Regierungsgebäude in
Brasiliens Hauptstadt Brasilia errichtet.
"Staudämme und Wasserkraftwerke, aber auch Zuckerrohr- und
Sojaplantagen für die Gewinnung von Biodiesel und Ethanol
bringen die insgesamt etwa 235 indianischen Völker
Brasiliens zunehmend in Bedrängnis", kritisierte die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch in
Göttingen. Solche Projekte könnten zu
Überflutungen von Indianerland und zur Zerstörung von
Fischgründen führen. Außerdem schädigten die
Monokulturen von Soja und Zuckerrohr oder Eukalyptus für die
Papierindustrie nicht nur die Umwelt, sondern verdrängten
ganze Ureinwohnergemeinschaften von ihrem Territorium mit zum
Teil verheerenden Folgen für die Betroffenen. So seien zum
Beispiel Kaiowa Guarani von staatlicher Lebensmittelhilfe
abhängig, weil sie nicht mehr genug Land zur Verfügung
haben, um sich selbst zu versorgen.
Sprecher der Indianer vor dem Regierungsgebäude
kritisierten besonders das Entwicklungsprogramm der Regierung
PAC, das mit einem Netz von Staudämmen und Wasserkraftwerken
im ganzen Land zum nationalen Wirtschaftswachstum beitragen soll.
Untersuchungen über die Folgen des Programms auf das Land
der Indianer gibt es noch nicht. "Wir wollen informiert und in
die Beratungen einbezogen werden, bevor mit der Arbeit begonnen
wird", forderte daher Jecinaldo Cabral, Koordinator der
Vereinigung der indigenen Organisationen des brasilianischen
Amazonas CIOAB, gegenüber dem brasilianischen
Indianermissionsrat CIMI, Partnerorganisation der GfbV und
wichtiger Fürsprecher der Indianer Brasiliens. Dazu ist
Brasilien durch die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 im Jahre
2002 verpflichtet, in der eine Fülle von Grundrechten
indigener Völker verankert sind.
Die Indianer trafen in dieser Woche bereits mit dem
Präsidenten der Indianerbehörde FUNAI Marcio Meira
zusammen, der ihnen zusagte, er wolle persönlich dafür
sorgen, dass die Rechte der Indianer künftig stärker
respektiert werden und dass in den bereits anerkannten
indianischen Gebieten Entwicklungshilfe geleistet werde. Denn die
Indianer Brasiliens leben häufig in großem Elend. Auch
stellte er die Gründung eines Nationalen Rates für
Ureinwohnerpolitik in Aussicht und versprach, den Dialog mit den
Indianern durch häufige persönliche Besuche in ihren
Gebieten auf eine permanente Basis zu stellen. Damit entsprach er
der wichtigsten Forderung der indianischen Bewohner der
Zeltstadt. Am kommenden Donnerstag, dem Tag des Indianers in
Brasilien, sollen die Aktionen der brasilianischen Ureinwohner
mit einer Zusammenkunft mit Präsident Lula da Silva
abgeschlossen werden.