Bozen, Göttingen, Berlin, 19. Mai 2006
Bundeskanzlerin Angela Merkel muss bei ihrer am Sonntag
beginnenden China-Reise die Führung in Peking drängen,
mehr weltpolitische Verantwortung zu übernehmen. Das hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag in
einem Schreiben an die Kanzlerin gefordert.
"Europa darf nicht länger schweigen, wenn China im Sudan
Völkermord unterstützt, um seiner aufstrebenden
Industrie Rohstoffe zu sichern", sagte GfbV-Asienreferent Ulrich
Delius. "Mit seiner Blockadepolitik im Weltsicherheitsrat hat
China den Genozid in Darfur aus eigennützigen Motiven seit
mehr als drei Jahren verlängert. China missbraucht sein
Vetorecht und hat dadurch den gewaltsamen Tod von bis zu 400.000
Zivilisten in Darfur mit zu verantworten. Systematisch verhindert
die Volksrepublik wirksame Sanktionen gegen die Verantwortlichen
des Genozids sowie einen schnellen Einsatz von UN-Friedenstruppen
in Darfur." Mit ihrer bedingungslosen Unterstützung der
Khartumer Regierung wolle die Volksrepublik ihre
Öl-Interessen im Sudan sichern, so die GfbV.
Sudan exportiert seit 1999 Erdöl. China erhält sechs
Prozent seines Ölbedarfs aus sudanesischen Quellen und wurde
mittlerweile zum bedeutendsten Handelspartner des Sudan. So
wurden im Jahr 2004 rund 64 Prozent aller sudanesischen
Exporterlöse im China-Geschäft erwirtschaftet. "Ohne
die Einnahmen aus dem Öl-Geschäft hätte der Sudan
weder den Völkermord im Südsudan bis zum
Friedensschluss im Januar 2005 noch die Vertreibung der
Zivilbevölkerung aus Darfur alleine finanzieren
können", kritisierte Delius.
China ist mit staatlichen Öl-Konzernen aber auch
maßgeblich an der Ölförderung, am Bau von
Raffinerien und Pipelines im Südsudan beteiligt. Trotz der
katastrophalen Menschenrechtslage im Sudan baut die Volksrepublik
auf allen Ebenen ihre Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Staat
aus. So unterstützen rund 30.000 chinesische
Entwicklungshelfer und Berater den Ausbau der sudanesischen
Ölindustrie sowie den Bau anderer Großprojekte. Nach
Russland ist China inzwischen der zweitwichtigste
Rüstungslieferant des Sudan. In dieser Woche bot die
Kommunistische Partei Chinas der Partei des sudanesischen
Diktators el Bashir einen Ausbau der Zusammenarbeit an. Doch
Chinas Führung ignoriert auch in anderen Staaten Afrikas
systematisch Menschenrechtsverletzungen, um die Versorgung seiner
Industrie mit Erdöl sicherzustellen. So schloss die
Regierung in Peking erst kürzlich Vereinbarungen ab
über neue Lieferungen aus Angola und verschiedenen
westafrikanischen Staaten mit zweifelhafter
Menschenrechtsbilanz.