Bozen, Göttingen, 7. Oktober 2005
Als "Griff in die Mottenkiste des Sozialismus" hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) das am heutigen
Mittwoch in Peking vom Presseamt des Staatsrates Chinas
veröffentlichte "Erste Weißbuch zur Demokratisierung
Chinas" bezeichnet. "Das Weißbuch unterstreicht den
absoluten Führungsanspruch der Kommunistischen Partei, der
mit aller Macht auch weiterhin durchgesetzt werden soll",
kritisierte der GfbV- Asienreferent Ulrich Delius. Bei der
Beschreibung der Verhältnisse im Land gleiche das Pamphlet
einem Märchenbuch. So sei es unverfroren, sich angesichts
neuer religiöser Repression gegen Tibeter und Uiguren zu
rühmen, ethnische Minderheiten würden Religionsfreiheit
genießen.
"Die Staatliche Religionsbehörde Chinas hat ihre Kampagne
der Umerziehung in tibetischen Klöstern schon seit April
2005 wieder aufgenommen", sagte Delius. Kürzlich aus Tibet
geflohene Mönche hätten berichtet, dass erneut Nonnen
und Mönche aus mehreren buddhistischen Klöstern
ausgewiesen worden seien. So seien 44 Nonnen des Klosters Gyabdak
im Juni aufgefordert worden, ihr Kloster zu verlassen. Sie hatten
sich geweigert, sich von Sicherheitsbeamten fotografieren zu
lassen. Weitere 18 Mönche hätten im Juli das Kloster
Sera verlassen müssen, weil sie bei Umerziehungskursen die
Politik der Kommunistischen Partei nicht unterstützten. Seit
Beginn der Umerziehungskampagne im Januar 1996 wurden mehr als
11.400 tibetische Nonnen und Mönche aus ihren Klöstern
ausgewiesen.
Auch in der Autonomen Region Xinjiang hält Recherchen der
GfbV zufolge die religiöse Repression gegen muslimische
Uiguren an. So würden Gläubige willkürlich an der
Wallfahrt nach Mekka gehindert, religiöse Bücher
verbrannt und Moscheen geschlossen. Deutlichstes Beispiel
für das seltsame Demokratieverständnis von Chinas
Regierenden seien ihre drastischen Eingriffe in die Freiheit des
Internets, kritisierte Delius. "Mehr als die Informationsfreiheit
fürchtet Chinas Machtelite, dass sich die Bevölkerung
dank des Internets spontan zu Massenprotesten entschließen
könnte." Daher setze sie rund 65.000 Internet-Polizisten
ein, um den Informationsfluss zu steuern und Kritik zu
unterdrücken. "Doch so lange Chinas Machthaber Angst vor
ihrer eigenen Bevölkerung haben, ist es Etikettenschwindel,
wenn die chinesische Führung in Peking ihre
Unterdrückungspolitik gegenüber dem Ausland als
"Demokratisierung" verkauft."