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Mali / Niger: Mysteriöse Entführungen in der Sahara

Pauschale Vorverurteilung von Tuareg ist nicht hilfreich

Bozen, Göttingen, 23. Januar 2009

Touareg. Touareg.

Nach den jüngsten Entführungen in der Sahara hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor einer Vorverurteilung von Tuareg gewarnt. "Bislang hat noch niemand die Verantwortung für die Verschleppung der Touristengruppe übernommen", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. In den letzten Jahren seien alle Entführungen ausländischer Urlauber in der Sahara auf das Konto radikaler Islamisten gegangen. Es sei nicht auszuschließen, dass auch für die jüngste Gewalttat die Terrororganisation "al-Qaida im Islamischen Maghreb" (AQMI) oder einfache Banditen verantwortlich seien. Der Vermittlung von Tuareg sei es zu verdanken gewesen, dass mehrere dieser Entführungen glimpflich ausgegangen und die Touristen nach Wochen der Angst freigelassen worden seien. So habe die AQMI im Februar 2008 zwei österreichische Urlauber entführt, die erst Ende Oktober wieder freigekommen seien. Im Jahr 2003 habe die Vorgängerorganisation der AQMI, die "Salafistische Gruppe für Predigt und Kampf" (GSPC), mit der Verschleppung von 32 europäischen Touristen Aufsehen erregt.

Die Entführung einer Deutschen, eines schweizerischen Ehepaares und eines Briten am gestrigen Donnerstag sei bereits die zweite mysteriöse Verschleppung im Niger innerhalb von fünf Wochen. Denn bis heute fehle auch jede Spur von dem am 15. Dezember 2008 nahe der Hauptstadt Niamey entführten pensionierten kanadischen Diplomaten und amtierenden UN-Sondergesandten für den Niger, Robert Fowler, sowie eines weiteren kanadischen Diplomaten und ihres Fahrers. Der schnell von den Behörden geäußerte Verdacht, Tuareg seien für die Verschleppung verantwortlich, erhärtete sich nicht.

Eilfertig hätten Militärs in Mali auch jetzt Tuareg-Rebellen beschuldigt, die Touristengruppe verschleppt zu haben. Den Militärs in Mali, die am Donnerstag vergangener Woche eine neue Großoffensive gegen aufständische Tuareg begonnen hätten, käme es sehr gelegen, Angehörige dieser Minderheit zu kriminalisieren, sagte Delius. Bis heute leugneten die Regierungen in Mali und Niger, dass der im Jahr 2005 erneut ausgebrochene Aufstand der Tuareg politische Hintergründe habe. Die Aufständischen würden vor allem im Niger von den Behörden als "Banditen" bezeichnet. Jeder Dialog mit ihnen werde abgelehnt.

Die Armeen beider Staaten gingen in den Tuareg-Gebieten brutal gegen die Zivilbevölkerung vor. So seien 2008 allein im Niger 64 Zivilisten bei Übergriffen der Armee getötet und 82 Tuareg verhaftet worden, berichtete der Menschenrechtler. In den Gefängnissen werde regelmäßig gefoltert.. Vergeblich warteten die Verhafteten auf ein faires Gerichtsverfahren. Die Tuareg forderten mehr Mitsprache bei der Entwicklung ihrer Region. Der Run auf Öl, Uran, Mangan, Phosphat und andere Erze gefährde die Identität und das Überleben der Tuareg. Allein in Mali seien ohne Mitsprache der Minderheit Konzessionen zur Ölförderung für zehntausende Quadratkilometer Weideland der halbnomadischen Tuareg vergeben worden.