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Nach der mutmaßlichen Ermordung einer französischen Geisel in Nordafrika

Tuareg beklagen Zunahme der Gewalt und Militarisierung der Sahara

Bozen, Göttingen, 26. Juli 2010

Ein Tuareg verkauft handwerklich hergestellte Gegenstände. Ein Tuareg verkauft handwerklich hergestellte Gegenstände.

Die in der Sahara lebenden Tuareg leiden massiv unter der Zunahme terroristischer Gewalttaten und den Folgen des Anti-Terror Kampfes staatlicher Sicherheitsbehörden. Dies erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag in Göttingen. "Immer weniger Tuareg können vom Tourismus und vom Kunsthandwerk leben, seitdem die nordafrikanische Terrororganisation "El Kaida im Maghreb" (AQMI) fast jeden Monat Europäer entführt und ausländische Reisende deshalb die Sahara meiden", sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Für das Nomadenvolk der Tuareg, die in Niger und Mali zudem noch unter den Auswirkungen einer schweren Dürrekatastrophe leiden und viele ihre Herden verloren haben, ist der Zusammenbruch des Tourismus lebensbedrohlich." Seit Jahren verdienen viele Tuareg ihren Unterhalt, indem sie sich Urlaubern als Fremdenführer anbieten oder Kunsthandwerk an sie verkaufen.

"Die Tuareg fürchten auch die Auswirkungen des Anti-Terror Kampfes. Staatliche Sicherheitsbehörden verüben bei der Verfolgung mutmaßlicher Terrorgruppen immer wieder Übergriffe auf die Ureinwohner", erläuterte Delius. Lager des Nomadenvolkes werden gewaltsam durchsucht und Tuareg verhaftet, um die Weltöffentlichkeit zu beruhigen.

Am gestrigen Sonntag hatte AQMI die Ermordung der französischen Geisel Michel Germaneau bekannt gegeben. Der 78-jährige ehemalige Ingenieur der algerischen Öl-Industrie war am 19. April 2010 in Niger entführt worden. Nachdem am 22. Juli eine gewaltsame Befreiung der Geisel durch französische und mauretanische Soldaten gescheitert war und dabei sechs Terroristen getötet worden waren, ließ AQMI den Franzosen offensichtlich hinrichten. Mehr als 50 Ausländer sind seit dem Jahr 2000 von AQMI und Vorgängerorganisationen in der Sahara entführt worden. Bis auf den Briten Edwin Dyer, der 2009 von seinen Geiselnehmern ermordet wurde, kamen die meisten Geiseln nach Zahlung eines Lösegeldes frei.

"Angesichts der geringen Effektivität des Antiterror-Kampfes in der Sahara stellt sich die Frage, ob die Staaten der Region überhaupt AQMI ausschalten wollen", so Delius. "Denn offensichtlich bekommen sie aufgrund der Terrorakte immer mehr Militärhilfe aus den USA und Europa." Mehrere zehntausend Soldaten aus Algerien, Niger, Mali und Mauretanien (die militärisch von den USA, Großbritannien und Frankreich unterstützt werden) sind nicht in der Lage, den Terror von höchstens 400 oft noch nicht einmal ortskundigen AQMI-Kämpfern zu stoppen. Algerien kündigte nun im Mai 2010 sogar an, bis zum Jahr 2012 rund 75.000 Soldaten für den Antiterror-Kampf in der Sahara bereitzustellen. "Nur den Tuareg hilft dies nicht. Ihr Überleben ist akut bedroht durch die zunehmende Gewalt und Militarisierung der Sahara", mahnte Delius.