Bozen, 16. April 2003
Die GfbV arbeitet
seit Jahren mit Organisationen und Parteien im irakischen
Kurdistan zusammen. Das Land Südtirol finanzierte über
die Entwicklungszusammenarbeit Mitte der 90er Jahre ein
GfbV-Projekt zum Aufbau einer multinationalen Gemeinde (Kurden,
Assyrer, Turkmenen und Araber). Jetzt ist im autonomen
Kurdengebiet die Hilfe zur Selbsthilfe gefragt. Sinnvoll ist es
deshalb, jene Organisationen zu unterstützen, die schon seit
Jahren - auch während der Baath-Diktatur - in Kurdistan
aktiv waren.
Die GfbV-international plant außerdem ein
Menschenrechtsbüro im irakischen Kurdistan. Ziel dieses
Büros ist es, die Menschenrechtsverletzungen der
35-jährigen Baath-Diktatur (siehe Dossier) zu dokumentieren,
religiöse und nationale Minderheiten in Kurdistan zu
beraten. Zudem will die GfbV die europäischen Staaten dazu
bewegen, dem Irak die Schulden zu erlassen. Die europäischen
und us-amerikanischen Rüstungsfirmen, die in den vergangenen
Jahren Handel mit dem Irak getrieben haben, sollen zur
Wiedergutmachung angehalten werden.
Kurzfristig ist es aber notwendig, bereits bestehende
Hilfsprojekte von WADI und medica mondiale zu unterstützen.
Viele allein stehende Frauen mit Kindern sind unter den
Flüchtlingen. Ihre Männer mussten in den Städten
bleiben, wurden zum Dienst an der Kriegsfront eingezogen oder
sind unter dem irakischen Regime umgekommen. Nur wenige Frauen
haben Verwandte in Irakisch-Kurdistan, viele sind nach den
Entbehrungen und dem Horror der pausenlosen Bombardements in
einer sehr schlechten körperlichen und seelischen
Verfassung. Die unter Schock stehenden Flüchtlinge brauchen
dringend soziale und psychologische Betreuung vor Ort, bis sie
sich wieder etwas erholt haben.
Der Sturz des Baath-Regimes ermöglicht es kurdischen Frauen,
verstärkt ihre Vergangenheit zu untersuchen. Aber besonders
die Frauen, die im Zuge der Al-Anfal-Operationen der
Baath-Regierung zu Witwen wurden, sind gefährdet, erneut
psychisch zusammenzubrechen, etwa, wenn sie feststellen
müssen, dass (männliche) Angehörige sich nicht in
Zentralregierungsgefängnissen befinden, sondern ermordet
wurden.
Ein Teil der Flüchtlinge im Nordirak beginnt zögerlich
in seine meist zerstörten Heimatorte zurückzukehren. Ob
diese Tendenz zunimmt, hängt auch von der Sicherheit in den
von den Koalitionskräften eingenommenen Städten ab.
Eine ausreichende humanitäre und medizinische Versorgung
existiert dort zurzeit nicht. Viele Hilfslieferungen erreichen
aus verschiedenen Gründen nicht ihren Bestimmungsort. Hilfe
für Frauen und Kinder im Nordirak organisiert schon jetzt
ein Zusammenschluss lokaler Frauenorganisationen mit
Unterstützung von WADI e.V. und medica mondiale e.V. Die
Frauen vor Ort wissen am besten, was sie brauchen und besitzen
die nötigen Netzwerke, um hilfesuchende Frauen zu
erreichen.
Nothilfeprojekt zur Krisenintervention
Schnell und unbürokratisch soll den Frauen in diesem Projekt
mit mobilen Einsatzteams geholfen werden: Krankenschwestern,
Sozialarbeiterinnen und Psychologinnen werden in den
Gouvernements Suleymaniah und Neu-Kirkuk in die
Flüchtlingslager gehen.
Mobile Teams
Die Einsatzteams, die aus einheimischen Fachfrauen zusammenstellt
sind, werden auf die Frauen zugehen und sie betreuen.
Insbesondere medizinische, psychologische und soziale Hilfe wird
notwendig sein, um den unter Schock stehenden verwitweten Frauen
und Männern mit ihren Kindern zu helfen. Ängste und
Sorgen über zurückbleibende oder verschollene
Familienangehörige, Hunger und körperliche Verletzungen
bedürfen einer einfühlsamen und starken Begleitung
derer, die ohne Mann oder Vater ungeschützt auf der Flucht
gewesen sind. Nicht zuletzt wird die Hilfe bei der Suche nach
vermissten Familienangehörigen im Nachkriegsirak eine
weitere Aufgabe der Einsatzteams sein.
Mitwirkung der irakischen Frauenverbände
Das Projekt wird von Mitarbeiterinnen aktiver irakischer
Frauenverbände in den Städten Suleymaniah und Arbil
getragen (in Kooperation von WADI e.V. und medica mondiale
e.V.
Weitere von medica mondiale unterstützte
Projekte im Irak:
NAWA Centre for Women in Distress in Sulemaniah
(Nordirak)
Hier betreibt WADI seit sechs Jahren ein Frauenzentrum mit
Beratungsstelle und Frauenhaus, das bis zu 18 Frauen mit Kindern
aufnehmen kann. Bei akuten familiären Problemen fängt
dieses Haus Frauen auf und bietet ihnen die Möglichkeit
einer Langzeittherapie an.
Psychosoziale Begleitung und Beratung und
Telefonhotline
Eine Psychologin und mehrere Sozialarbeiterinnen stehen Frauen in
der persönlichen Beratung zur Verfügung und vermitteln
auf Wunsch Rechtsbeistand. Adressatinnen des Hilfsprogramms sind
alle Frauen und Mädchen, deren physische, psychische,
soziale und politische Integrität verletzt wurde. Und zwar
durch schon seit langem andauernde, Frauen unterdrückende
Strukturen im Irak.
Netzwerk mit anderen nordirakischen
Frauenorganisationen
Basierend auf der Erfahrung der Arbeit mit Frauen in anderen
Kriegsgebieten fördern medica mondiale und WADI die
Vernetzung mit anderen irakischen Frauenorganisationen. Das Ziel:
Die Wiederherstellung eines Kommunikationsverbundes und
Stärkung von Frauenressourcen im Land. Im Gegensatz zu den
Frauen im kurdischen Nordirak waren die Frauen in Zentral- und
Südirak den Menschenrechtsverletzungen des Regimes von
Saddam Hussein länger ausgesetzt. Unter
geschlechtsspezifischer Verfolgung leiden Frauen im gesamten
Land. Ähnlich wie bei der Versorgung mit Lebensmitteln ist
die Situation im Nordirak etwas besser. Nur hier konnten Frauen
bisher eigene politische Netzwerke aufbauen.
Zusammenarbeit mit WADI e.V.
Die Abwicklung und das Monitoring, also die laufende Begleitung
und Überwachung des Projekts liegen in der Hand einer
erfahrenen Partnerorganisation: Seit 1991 ist WADI e.V., ein
Zusammenschluss von Einzelpersonen und Gruppen, in der
Initiierung und Unterstützung von Hilfsprojekten im Irak und
in Irakisch-Kurdistan tätig. Die Organisation arbeitet vor
allem für Frauen in psychischen Notsituationen und Opfer
sexueller Gewalt, für Gefangene und Flüchtlinge.
Seit 1995 unterhält WADI e.V. in Irakisch-Kurdistan ein
eigenes Büro, lokale MitarbeiterInnen betreuen von dort die
verschiedenen Projekte. Außerdem arbeitet der Verein mit
verschiedenen lokalen und internationalen Organisationen und
UN-Agenturen zusammen und unterstützt einen Zusammenschluss
lokaler Frauenorganisationen. In Jordanien und
Israel/Palästina unterstützt WADI e.V. lokale Frauen-
und Hilfsorganisationen. Ausblick: Engagement für die
Zukunft irakischer Frauen
Mit dieser Kooperation startet medica mondiale seine
Unterstützung für irakische Frauen - weitere Programme
werden folgen. Unter anderem wollen wir auch wieder
Qualifizierungsprogramme zum Thema "Trauma" für einheimische
Fachfrauen anbieten.
Weitere WADI-Projekte im irakischen Kurdistan:
1) Kindergärten für Flüchtlingskinder aus
Kirkuk (Suleymania, 1999)
Kindergärten gehören schon seit mehreren Jahrzehnten zu
den sozialen Einrichtungen in Irakisch-Kurdistan. Doch seit dem
Aufstand der Kurden 1991 gegen das Regime in Bagdad und der daran
anschließenden Errichtung einer "Autonomen Zone" im Norden
des Irak wurde es für die Kindergärten zunehmend
schwerer zu arbeiten, da die wirtschaftliche Lage schlecht und
viele der vormals vorhandenen Einrichtungen, wie zum Beispiel
Kindergartenbusse, aufgrund der schlechten ökonomischen
Situation nicht mehr unterhaltbar sind.
Besonders betroffen von dieser Situation sind die
Flüchtlingskinder in den sogenannten "Collective Towns".
Viele von ihnen erfuhren bisher kaum andere Erfahrungen als Krieg
und Flucht, einige von ihnen sind zunächst vor Saddams
Truppen aus der Region Kirkuk in die südlichen Teile
Irakisch-Kurdistans und kurz darauf während der
innerkurdischen Parteienkämpfe ein zweites Mal weiter nach
Norden geflohen, wo sie jetzt in Notunterkünften (sogenannte
Pre-Fabs) besonders in den Collective Towns Barzian und Bainjan
unter menschenunwürdigen Bedingungen leben.
Für diese Kinder ist ein Kindergartenbesuch besonders
wichtig, der sie in ihrer Entwicklung fördert und
unterstützt, aber auch auf die Schule vorbereitet. Da die
Ernährungssituation der Kinder extrem schlecht ist, erhalten
sie im Kindergarten ein Frühstück mit Milch und eine
warme Mahlzeit zum Mittagessen.
Ein erster Kindergarten wurde im Sommer 1994 mit der "Liga der
Frauen Kurdistans" in der Collective Town Barzian eröffnet.
Dieser Kindergarten gilt wegen seines guten Erfolgs als "Modell"
nach dem auch weitere Kindergärten eingerichtet wurden. In
einem Brief der Zuständigen der "Liga" steht über
Barzian: "Wir haben auch in diesem Sommer 143 Kinder aufgenommen.
85 % von ihnen sind Kirkukflüchtlinge, die alle sehr, sehr
arm und beinahe nackt sind."
Es gibt in diesen Flüchtlingslagern keinerlei Einrichtungen
für Kinder im Vorschulalter und da ihre Mütter
tagsüber meist Tagelöhnerarbeit nachgehen müssen,
sind sie mehr oder weniger auf sich selbst gestellt. Hinzu kommen
die schrecklichen Erlebnisse der letzten Jahre, das Leben als
Flüchtling im eigenen Land, die es um so nötiger
machen, diesen Kindern eine pädagogische Betreuung zuteil
werden zu lassen. Verwahrlosung und der Zwang, die Familie mit
ernähren zu müssen, führen verstärkt dazu,
dass viele Kinder keine Schulen mehr besuchen. Da in diesem
Kindergarten täglich eine Mahlzeit serviert wird haben auch
Eltern, deren Kinder vorher als Kleinverkäufer arbeiten
mussten, ein Interesse, dass sie die Einrichtung besuchen.
Die Kindergärten selbst sind 1997 dem Department of
Education in Suleymaniah übergeben worden, behielten aber
einen Sonderstatus, der zum Beispiel ermöglicht, dass
weiterhin eine warme Mahlzeit pro Tag für die Kinder
zubereitet wird oder dass Winterkleider an die Kinder verteilt
werden. Für die Kosten dieser zusätzlichen
Aktivitäten kommt WADI auf.
2) Im Sommer 1995 eröffnete WADI in Kooperation mit der
kurdischen Frauenorganisation Komalla Afretan eine
Frauenbibliothek in der Kleinstadt Kifri. Kifri liegt im
äußersten Süden der kurdischen
Autonomiegebiete.
Da es in der kurdischen Gesellschaft außerhalb der
Privatsphäre des Wohnhauses so gut wie keine
öffentlichen Räume gibt, in denen Frauen sich
ungestört treffen und über ihre Probleme sprechen
können, hat diese Bibliothek zudem eine wichtige soziale
Funktion. Geleitet wird die Einrichtung von mehreren Frauen. Mit
Unterstützung des Weltgebetstages der Frauen konnte die
Bibliothek 1999 erweitert werden, weitere Bücher gekauft und
das Gebäude renoviert werden. Seitdem kann jetzt auch der
Garten um das Haus herum mit genutzt werden, sei es, um zu lesen
oder sich mit anderen Frauen zu treffen und zu reden. So hat sich
die Frauenbibliothek von einem reinen Leseraum zu einem
Frauentreffpunkt gewandelt. Eine solche Art "Teegarten für
Frauen" gab es bisher in Kifri nicht.
Detaillierte Berichte über die Arbeit von medica
mondiale siehe homepage: www.medicamondiale.org
Ausführlichere Informationen über WADI und die
verschiedenen WADI-Projekte im Irak: www.wadinet.de; www.wadinet.de/projekte/frauen/khanzad/khanzad.htm;
www.wadinet.de/projekte/frauen/kifri/kifri.htm;
www.wadinet.de/projekte/fluechtlinge/kinder/kindergaerten.htm;
www.wadinet.de/projekte/frauen/nawa/berichtnawa2000.htm
Spendenkonten:
medica mondiale - Raiffeisenkasse Laas, Kontonummer:
0300018724
medica mondiale - Sparkasse Bonn, Kontonummer: 45000163 - BLZ
38050000
WADI - Postbank Frankfurt a/M, Kontonummer: 612305-602 - BLZ
50010060