Bozen, Berlin, Göttingen, 26. Mai 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat eine
stärkere Berücksichtigung von Menschenrechtsfragen bei
der geplanten geographischen Ausweitung des Mandats der
Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF)
über die Hauptstadt Kabul hinaus gefordert. Gleichzeitig
warnte die GfbV vor einer Unterstützung der Terrorherrschaft
des Warlords Ismail Khan in der Provinz Herat. "Deutsche Soldaten
nach Herat zu entsenden macht nur Sinn, wenn Sie die
Terrorherrschaft des Provinzgouverneurs nicht einfach tolerieren,
sondern auch konkret Menschenrechte schützen", sagte der
GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Ismail Khan lässt
Angehörige der paschtunischen Mehrheitsbevölkerung
vertreiben und Mädchen den Schulbesuch verbieten. Er
unterdrückt die Meinungsfreiheit und lässt
willkürlich Regimegegner verhaften und foltern."
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung hatte in ihrer heutigen
Ausgabe berichtet, die Bundesregierung plane die Entsendung von
deutschen ISAF-Verbänden zum Schutz von GTZ- Mitarbeitern in
der Provinz Herat. "Deutsche Soldaten dürfen nicht nur zum
Schutz von deutschen Entwicklungshelfern eingesetzt werden, wenn
in der Provinz zugleich ein Klima der Rechtlosigkeit und
Willkür herrscht", forderte Delius. Bisher habe die
Bundeswehr bei ihrem Einsatz in Kabul Menschenrechtsfragen schon
wenig Beachtung geschenkt. In der Provinz Herat sei ein solches
Auftreten umso fragwürdiger, da man die Terrorherrschaft
eines Warlords nicht legitimieren dürfe.
Es sei absurd, wenn deutsche Soldaten dabei helfen würden,
die Infrastuktur in Herat zu verbessern, während in der
gleichen Provinz Menschen mit Waffengewalt an der Wahrnehmung
ihrer elementaren Menschenrechte gehindert würden. Nach dem
Sturz der Taliban habe Gouverneur Ismail Khan nicht nur die
meisten ihrer restriktiven Vorschriften beibehalten, sondern sie
auch noch weiter verschärft. So erließ er auf der
Grundlage des traditionellen muslimischen Scharia-Rechts
zahlreiche Verbote: Männer dürfen Frauen nicht die Hand
geben, wer Alkohol trinkt wird durch Abrasieren des Kopfhaars
öffentlich gedemütigt. Die von Khan im Oktober 2002
eingeführte "Sittenpolizei" beschlagnahmte und verbrannte
Kassetten mit westlicher Musik, Poster von Kinostars und
Videokassetten.