Bozen, Göttingen, 21. Januar 2004
Am Vortag der Türkeireise des deutschen
Außenministers Fischer hat die Gesellschaft für
bedrohte Völker das Fehlen einer glaubwürdigen
Menschenrechtspolitik in Sachen Türkei angemahnt.
"Reformerlasse sind noch keine Reformen. Menschen- und
Minderheitenrechte müssen erst realisiert werden, bevor man
den EU-Beitritt ernsthaft in Aussicht stellen darf", schrieb der
Generalsekretär der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) Tilman Zülch heute an Fischer.
"Wir fragen die Bundesregierung: Stimmt es etwa nicht, dass in
der Türkei jetzt flächendeckend weiter gefoltert wird,
aber zunehmend mit Methoden, die keine sichtbaren Spuren am
Körper der Häftlinge mehr hinterlassen. Wir fragen
Joschka Fischer weiter, ob die Zulassung kurdischer Lieder in
Funk und Fernsehen der Türkei bereits als neue
Minderheitenpolitik und erfüllte Voraussetzung für den
EU-Beitritt gelten darf, obwohl die Sprache von 15 Millionen
türkischen Kurden noch immer in Behörden, Schulen und
Universitäten geächtet ist. Wir fragen den Vizekanzler
und Parlamentarier Joschka Fischer, warum er nicht die
Freilassung seiner Kollegin, der kurdisch-türkischen
Abgeordneten Leyla Zana, zur Vorbedingung für seine
Türkei-Reise gemacht hat. Und wir erwarten, dass er jetzt
die Freilassung der kurdischen Menschenrechtlerin und
Trägerin des Sacharow-Preises von 1995 nach 10 Jahren Haft
endlich durchsetzt. Immerhin hat der europäische Gerichtshof
für Menschenrechte das Verfahren gegen die Parlamentarierin
als Verletzung rechtsstaatlicher Maßstäbe
gerügt."