Bozen, 25. Juni 2004
Mit einer beeindruckenden Ausstellung hat die
Österreichische Liga für Menschenrechte auf die vom
deutschnationalistisch regierten Kärnten verdrängte
ethnische Säuberung Süd-Kärntens während des
Dritten Reiches hingewiesen. 1942 wurden 1.000 nationalbewusste
slowenische Kärntner von den Nazis ins Königreich
Jugoslawien vertrieben. Viele von ihnen wurden in KZs ermordet,
mehr als 1.000 Kärntner Slowenen schlossen sich daraufhin
dem antinazistischem Widerstand an.
Die Nazis wollten mit der ethnische Säuberung den Slowenen
das nationale Rückgrat brechen, einer Minderheit, die 1920
für den Verbleib Südkärntens in Österreich
stimmte. Die Deutsch-Kärntner und Österreich dankten es
den Slowenen nicht. Die slowenische Sprachgruppe wurde einer
besonderen Art der österreichischen "Germanisierung"
ausgesetzt.
Die Zahlen sprechen die deutlichste Sprache: 1939 "bekannten"
sich mehr als 43.000 Kärntner zur slowenischen Sprachgruppe,
heute sind es nur mehr knapp 10.000. Tendenz weiter schrumpfend.
Im Namen des "Deutschtums" bzw des österreichischen
Nationalismus wird die slowenische Sprachgruppe noch immer
diskriminiert: Der Rat der Kärntner Slowenen und das
Österreichische Volksgruppenzentrum, und auch andere NGO,
belegen jährlich in ihren Berichten den Tatbestand der
Diskriminierung, die die Bundesregierung toleriert.
Diese ständig fortgesetzte Ausgrenzung der slowenischen
Sprachgruppe in Kärnten und in der Steiermark knüpft
vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen
Slowenen-Deporttationen und Hinrichtungen im Grunde an die
NS-"Minderheitenpolitik" an. Leider entsprach und entspricht dem
Chauvinismus vieler Deutsch-Kärntner und Österreicher
der Chauvinismus vieler Slowenen. Auch das sollte Teil der
geschichtlichen Aufarbeitung des schwierigen
österreichisch-slowenischen Verhältnisses sein. Ein
Verhältnis, das durch die NS-Verbrechen, durch die
massenmörderische antislawische NS-Politik (der im 2.
Weltkrieg 20 Millionen slawische Osteuropäer zum Opfer
fielen) schwer belastet ist.
Trotzdem ist es mehr als ein Versuch wert, in dieser
mehrsprachigen europäischen Region die Vergangenheit
aufzuarbeiten, im Dialog, in der Anerkennung der Opfer, der
Nennung der Täter. Der gebürtige Südtiroler
Journalist Claus Gatterer versuchte auf diese Weise die
österreichisch-italienische "Erbfeindschaft" zu
überwinden.
In diesem Sinne arbeitete 1989 der Tiroler Geschichtsverein die
Südtiroler Geschichte zwischen 1918 und 1945 auf, stellte
Verbindungen her zwischen der faschistischen
Assimilierungspolitik und der Option für Nazi-Deutschland -
der "freiwilligen" Umsiedlung der Südtiroler ins Dritte
Reich. Eine Verzahnung der Geschichte - deutschsprachige
Südtiroler als Opfer des italienischen Faschismus,
italienische Faschisten als Täter, Südtiroler Nazis als
Täter, italienische Oppositionelle als Opfer. Nur Opfer
waren die Tiroler Juden.
Auf einer Tagung der Michael Gaismaier-Gesellschaft und der
Freien Universität Bozen wurde am 24.-25. Juni 2004 das
Thema "Opfer der Geschichte" aufgegriffen. Auch die
slowenisch-kroatisch-italienische Vergangenheit in
Friaul-Julisch-Venetien, in Istrien und Dalmatien war
Tagungs-Gegenstand: Die versuchte ethnische Säuberung dieser
Region durch den Faschismus, die Brutalität und Massaker des
faschistischen Regimes und die anschließende Revanche durch
slowenische und kroatische Nationalisten sowie der
Tito-Partisanen mit der Vertreibung der Italiener aus Istrien und
Dalmatien. Opfer als Täter, Täter, die zu Opfern
wurden.
Auch die österreichisch-slowenische Geschichte sollte
verknüpft werden. Nach dem Ersten Weltkrieg entstand auch in
Slowenien nach der Trennung der Untersteiermark und der Krain von
Österreich eine deutsch-österreichische Minderheit, die
zahlenmäßig drastisch heruntergedrückt wurde - im
Bezirk Marburg/Maribor von 23.000 deutschsprachigen Bürgern
1910 auf 7.000 1921 sowie auf 3.000 1931. Ihr Schicksal entsprach
dem der Kärntner Slowenen. Tausende von Deutschen,
insbesondere österreichische Beamte und Angehörige
freier Berufe wanderten ab, weil behördliche Anordnungen und
Boykottmaßnahmen zum Verlust ihrer wirtschaftlichen
Existenz führten.
Die Existenz dieser z.T von den Nazis zwangsumgesiedelten und
1945 vom titoistischen Jugoslawien vertriebenen deutschsprachigen
Bevölkerungsgruppen wurde von der jugoslawisch und
slowenischen Wissenschaft überwiegend tabuisiert. Mehrere
Tausend Slowenien-Deutsche wurden - auch wegen ihrer
Kollaboration mit den Nazis - Opfer von Massenerschießungen
durch die Tito-Partisanen oder starben im Lager Sternheim in der
Untersteiermark. Die Titoisten richteten ihre Massenmorde nicht
nur gegen die deutschsprachige Minderheit - in Slowenien fielen
bis zu 50.000 Angehörige verschiedener Völker und
Minderheiten Jugoslawiens (unter ihnen 10.000 antikommunistische
Slowenen) den Massenerschießungen zum Opfer.