Bozen, Göttingen, 23. Juli 2004
Nach einer
Razzia maskierter Polizisten und der Beschlagnahmung von
Augenzeugenberichten über Menschenrechtsverletzungen
russischer Truppen in Tschetschenien hat sich die "Gesellschaft
für russisch- tschetschenische Freundschaft" mit einem
dringenden Hilferuf an die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) in Göttingen gewandt. Seit der
Durchsuchung des Büros der tschetschenischen Organisation in
der Stadt Karaboulak am 12. Juli würden Mitarbeiter und ihre
Familienangehörige ständig von Behörden und
Polizei schikaniert, provoziert und verängstigt, die Arbeit
für die tschetschenischen Flüchtlinge in Inguschetien
werde total blockiert, berichtete der Vorsitzende, Imran Eschiev,
am Freitag (23.7.) telefonisch.
Besorgt um die Sicherheit der bedrängten Menschenrechtler
hat der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch sofort in
dringenden Schreiben an die Menschenrechtsbeauftragte der
Bundesregierung, Claudia Roth, den Botschafter der EU-Kommission
in Russland, Richard Wright, den Europarat, EU-Parlamentarier und
Bundestagsabgeordnete appelliert, bei der russischen Regierung
gegen die Kriminalisierung der Menschenrechts- und
Flüchtlingsarbeit in Inguschetien zu protestieren. Die
"Gesellschaft für russisch-tschetschenische Freundschaft"
hat als eine der größeren tschetschenische
Menschenrechtsorganisationen immer mutig und offen die russische
Politik in Tschetschenien kritisiert, sagte die
GfbV-Osteuropareferentin Sarah Reinke. Sie habe sich besonders um
die in Inguschetien verbliebenen tschetschenischen
Flüchtlinge gekümmert. Imran Eschiev sei schon 18 Mal
festgenommen und gefoltert worden.
Während seines Hilfe suchenden Telefonats berichtete Eschiev
der GfbV, dass über 40 Polizisten am 12. Juli gegen 6:30 in
das Büro der Organisation eingedrungen seien. Die meisten
von ihnen seien maskiert und mit Maschinengewehren bewaffnet
gewesen. Sie hätten sechs Videokassetten, vier
Computerdisketten und Akten mit Aussagen von Überlebenden
russischer Verbrechen konfisziert. Als Eschiev den Polizisten
vorhielt, sie hätten keinen Durchsuchungsbefehl und
würden sich illegal im Büro aufhalten, habe ihn ein
Polizist angeschrieen: "Es ist illegal, dass du geboren wurdest.
Es ist illegal, dass du ein Tschetschene bist. Sei unbesorgt, wir
werden auf jeden Fall etwas Kriminelles gegen dich finden."