Bozen, Göttingen, 6. Dezember 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat
Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgeworfen, den Deutschen
Bundestag mit seinem Kotau vor der chinesischen Führung zu
verhöhnen. "Es ist ein Skandal, dass der Bundeskanzler das
Votum des Parlaments und seiner Fachausschüsse gegen eine
Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China ignoriert und
weiterhin für ein Ende der Sanktionen wirbt", kritisierte
die GfbV in einem am Montag veröffentlichten 37seitigen
Report zur China-Politik der EU. Der Bericht geht nicht nur
detailliert auf den Streit um die Aufhebung des Waffenembargos
ein. Er wirft Deutschland und Frankreich auch vor, mit ihrem
Buhlen um lukrative Aufträge aus China für ihre
Wirtschaft eine gemeinsame EU-Politik gegenüber der
Volksrepublik zum Scheitern zu verurteilen.
"Deutschland sollte seinen Ruf als "bester Freund Chinas" dazu
nutzen, konstruktiv zur Lösung der akuten Konflikte um
Taiwan, Tibet und Xinjiang beizutragen", erklärte die GfbV.
Schließlich habe die Bundesregierung in ihrem
Koalitionsvertrag im Jahr 2002 die internationale
Konfliktprävention als Eckpfeiler deutscher
Außenpolitik bezeichnet.
Absurd sei die "Berliner Arbeitsteilung": "Während der
Kanzler sich als Marketingchef der Deutschland AG versteht und
regelmäßig mit deutschen Firmenchefs in China die
Werbetrommel rührt, stellt er seinen Außenminister mit
Alleingängen wie der Ankündigung des Verkaufs der
Hanauer Plutonium-Fabrik oder der Aufhebung des EU-
Waffenembargos bloß und macht ihn zum Statisten",
erklärte der GfbV- Asienreferent Ulrich Delius. Joschka
Fischers Warnungen würden in China nicht mehr ernst
genommen, da Kanzler Schröder seinen Außenminister in
der China-Frage entmachtet habe. Als Oppositionspolitiker hat
Fischer der CDU/FDP-Regierung 1996 vorgeworfen, gegenüber
Peking kein Rückgrat zu zeigen, und eine neue China-Politik
gefordert. "Diese Kritik ist heute aktueller denn je zuvor, denn
die Bundesregierung ist heute in ihrer Anbiederung gegenüber
China kaum mehr zu übertreffen", erklärte Delius.
Der Rechtsstaatsdialog Deutschlands mit China und der EU-
Menschenrechtsdialog mit der Volksrepublik seien weitgehend
ineffektiv, stellt die GfbV in dem Report fest. Beide Dialoge
würden nicht zu einer kurz- oder mittelfristigen
Verbesserung der Menschenrechtslage beitragen, sondern allenfalls
in Jahrzehnten Früchte tragen. Dringend müssten die
Dialoge effektiver gestaltet werden. "Wenn die EU nicht auch
verstärkt politischen Druck auf die chinesische Führung
ausübt, wird sich die Menschenrechtslage in China nicht
bessern", warnte Delius.
Plädoyer für eine neue Chinapolitik der Europäischen Union. Menschenrechtsreport Nr. 36 der Gesellschaft für bedrohte Völker: >> www.gfbv.de/download/China1204.pdf [PDF, 252 KB].