Bozen, Göttingen, Berlin, 20. April 2005
Der Bundestag wird morgen über den Antrag der
CDU/CSU-Fraktion zum "Gedenken anlässlich des 90.
Jahrestages des Auftakts zu Vertreibungen und Massakern an den
Armeniern am 24. April 1915" beraten. So sehr die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) diese Initiative der CDU/CSU
begrüßt, so sehr bedauern wir jedoch auch, dass in
diesem Antrag der Terminus Völkermord ausgespart wird.
16 nationale Gesetzgeber, unter ihnen die französische
Nationalversammlung, die italienische Abgeordnetenkammer, das
kanadische House of Commons, die russische Staatsduma, das
amerikanische Repräsentantenhaus oder der Vatikan, haben
sich nicht davor gescheut, durch Entschließungen oder
Gesetze diese Verbrechen als Völkermord (Genozid)
anzuerkennen und zu verurteilen. Auch in der Wissenschaft ist
dieser Genozid an bis zu 1,4 Millionen Armeniern und bis zu 0,5
Millionen assyrisch-aramäischen Christen international
bestätigt. Im übrigen haben gerade deutsche
Persönlichkeiten - so der Missionar Dr. Johannes Lepsius,
der jüdische Dichter Franz Werfel oder der Gründer des
Wandervogels Hoffmann - die Weltöffentlichkeit damals
alarmiert oder den Genozid an den Armeniern bekannt
gemacht.
In Deutschland drohen demjenigen, der den Völkermord an den
Juden leugnet, Gefängnisstrafen. Der Genozid an den
Armeniern beschäftigt noch immer die internationale
Öffentlichkeit. Wenn ein deutsches Parlament nicht die
Zivilcourage hat, die Vernichtung der Armenier als
Völkermord zu bezeichnen, macht es sich auch in Sachen
deutscher Vergangenheitsbewältigung völlig
unglaubwürdig. Die Konsequenzen für die Anerkennung
gegenwärtiger Genozidverbrechen wie in Darfur im Westsudan
oder in Tschetschenien und für die Verfolgung der Täter
wären fatal. Am 11. Juli jährt sich das furchtbare
Verbrechen von Srebrenica zum 10. Mal. Das Haager Tribunal hat
bereits mehrere der serbischen Verantwortlichen wegen
Völkermordes verurteilt. Wir erinnern daran, dass auch die
deutsche Politik, mit wenigen Ausnahmen, 1995 versagt hat und
diesen Genozid tabuisiert, relativiert oder verdrängt hat.
Das sollte sich nicht wiederholen und deshalb bitten wir Sie
dringend darum, in Sachen Armenien ein Zeichen zu setzen und den
Genozid als solchen anzuerkennen.