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Gedenken an die 8.376 Opfer von Srebrenica

Aktionskünstler inszenieren Versagen des UN-Krisenstabes 1995 - GfbV erinnert an Ablehnung einer rettenden Intervention in Bosnien durch CDU/CSU, SPD, FDP, GRÜNE und PDS

Bozen, Göttingen, Berlin, 9. Juli 2009

Gedenken an die 8.376 Opfer von Srebrenica, Berlin 2009. Gedenken an die 8.376 Opfer von Srebrenica, Berlin 2009.

Zum Gedenken an die mindestens 8.376 Opfer von Srebrenica inszeniert der Aktionskünstler Philipp Ruch vom "Zentrum für Politische Schönheit" vor dem Brandenburger Tor in Berlin vom 8.-10.07.2009 täglich um 20.00 Uhr die Sitzung des Krisenstabes der Vereinten Nationen vom 10. Juli 1995. Damals wurde beschlossen, die UN-Schutzzone Srebrenica im Osten Bosniens widerstandslos den serbischen Truppen zu überlassen und keine UN-Truppen zur Verteidigung der eingeschlossenen bosnischen Stadt einzusetzen.

Während der abschließenden Gedenkveranstaltung am Samstag (11.7.), dem Jahrestag des Falls von Srebrenica, um 12 Uhr vor dem Reichstagsgebäude werden Unterstützer der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und bosnische Überlebende des Völkermordes ein 60 Meter langes Transparent mit den Namen der Ermordeten halten. Gleichzeitig wird die GfbV daran erinnern, dass sich alle deutschen Parteien geweigert haben, einer Intervention zur Beendigung des Völkermordes zuzustimmen. Deshalb mussten die Einwohner der europäischen Olympiastadt Sarajevo vier Jahre lang ertragen, dass sie täglich bombardiert wurden. Zehntausende weibliche Gefangene durchlitten in serbischen Vergewaltigungslager unerträgliche Misshandlungen. Die serbischen Konzentrations- und Internierungslager mit mehr als 200.000 Insassen wurden nicht gewaltsam geöffnet. Seit Kriegsbeginn hatten insbesondere die britische und die französische Regierung die Politik der Serbenführer Radovan Karadzic, Ratko Mladic und Slobodan Milosevic unterstützt.

Die gemeinsame Gedenkveranstaltung des "Zentrums" und der GfbV wird vom Islamischen Kulturzentrum der Bosniaken (IKB), dem ZZI (Kultur- und Wissenschaftsnetzwerk) und Südost Europa Kultur e.V. unterstützt. Die GfbV hat alle Bundesvorstände der genannten Parteien gebeten, während der Gedenkveranstaltung zu sprechen.

Aktionen zum Gedenken an Srebrenica in Berlin 2009:
8.07.2009:
20h: Aufführung in Anwesenheit des bosnischen Botschafters, Brandenburger Tor (Mittelinsel Pariser Platz)

9.7. und 10.7.
20h: Aufführung vor dem Brandenburger Tor
11.7., 12h: Aufführung vor dem Deutschen Bundestag und abschließende Gedenkveranstaltung (Scheidemannstr., Höhe Simsonweg)

ZUM HINTERGRUND

Das Massaker von Srebrenica 1995

Am 11. Juli 1995 besetzten Truppen des serbischen Kriegsverbrechers General Ratko Mladic auf Befehl des damaligen Präsidenten des serbisch besetzten Teils Bosniens, Radovan Karadži?, die von der Außenwelt abgeriegelte ostbosnische Stadt. Dorthin hatten sich Zehntausende bosniakische Zivilisten aus den umliegenden Dörfern geflüchtet. Unter den Augen der in Srebrenica stationierten Blauhelme ermordeten sie Tausende unbewaffnete bosnisch-muslimische Jungen und Männer, die von den Frauen und Kindern getrennt worden waren. Ihre Leichen wurden in Massengräber geworfen. Um Spuren zu verwischen, wurden sie später oft mit Bulldozern wieder ausgegraben und in Zweit- oder Drittgräbern verscharrt.

275 Massengräber wurden bisher im ostbosnischen Drina-Tal gefunden, aus denen die sterblichen Überreste von etwa 7.000 Srebrenica-Opfern geborgen wurden. Etwa 6.200 von ihnen wurden bisher identifiziert. Erst 3 307 identifizierte Opfer wurden auf dem Friedhof der Gedenkstätte in Potocari bei Srebrenica beigesetzt, denn nach der systematischen Verwüstung der Massengräber wurden oft nur Teile ihrer Gebeine gefunden. Am 11. Juli 2009 werden in Potocari wieder 520 Identifizierte bestattet.

Das als Völkermordverbrechen anerkannte Massaker von Srebrenica gilt als der schlimmste Massenmord in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges und dessen Folgeverbrechen. Die überlebenden Witwen, Mütter, Töchter, Schwestern der Ermordeten leben heute verstreut in aller Welt oder verarmt in Bosnien.

Srebrenica 2009 - eine verelendete Stadt

Von 37 211 Einwohnern der Stadt Srebrenica 1991 waren 72,88 % muslimische, 25,21 % serbisch-orthodoxe und 1,91 % andere Bosnier, vor allem Roma. Heute ist Srebrenica eine verelendete, von den serbischen Tätern dominierte Stadt in der "ethnisch gesäuberten" serbisch kontrollierten Hälfte Bosniens. Mindestens 810 mutmaßliche Kriegsverbrecher üben in der heute serbisch verwalteten "Republika Srpska" unbehelligt öffentliche Ämter aus. Ratko Mladic ist noch immer auf freiem Fuß.

Nur rund 4500 muslimische Bosnier - meist Witwen mit ihren Kindern - sind nach Srebrenica und in die umliegenden 56 Dörfer zurückgekehrt. Viele von ihnen müssen in Bretterverschlägen, Kellern oder Ruinen hausen. Nur etwa 1.700 der rund 6.500 zerstörten Häuser der Bosniaken wurden wiederaufgebaut. Die Straßen, Strom- und Wasserleitungen sind zerstört. Viele Dörfer sind im Winter kaum erreichbar. Die Qualität des Wassers aus den Brunnen wurde bis heute nicht überprüft. Die medizinische Versorgung der Rückkehrer ist völlig unzureichend. Es gibt nur eine kostenpflichtige Ambulanz in Srebrenica. Internationale Hilfswerke haben sich zurückgezogen. Viele Kinder müssen zu Fuß kilometerlange Wege zur Schule zurücklegen.

Vier Mütterbewegungen der Überlebenden von Srebrenica leisten versuchen, Hilfe für die Rückkehrer zu mobilisieren. Auch die Vorsitzende des Vereins "Srebrenica-Mütter", Hatidza Mehmedovic, ist im Oktober 2002 dorthin zurückgekehrt. Sie ist Koordinatorin der GfbV. Ihre beiden minderjährigen Söhne, ihr Ehemann und andere männliche Familienmitglieder gehören zu den Opfern des Massakers.

Wenn Sie Srebrenica-Überlebenden helfen möchten - z.B. in Form einer Patenschaft oder Ausbildungshilfe -, vermitteln wir Ihnen gern Kontakt zu den deutschsprachigen Mitarbeiterinnen im Büro Sarajevo der GfbV-Bosnien-Herzegowina. Bitte rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns Tel. 0551 499 06-16, E-Mail: bosnien@gfbv.de.

Die GfbV fordert von der deutschen Bundesregierung,

- den 11. Juli zum Tag des Gedenkens an den Völkermord von Srebrenica zu erklären.
- stärkeren Druck auf Serbien auszuüben, den gesuchten Hauptkriegsverbrecher Ratko Mladic an das Internationale Kriegsverbrechertribunal in Den Haag (ICTY) auszuliefern.
- die Bemühungen der Bosniaken zu unterstützen, für den Bezirk/die Opstina Srebrenica nach dem Beispiel des Distriktes Brcko einen politischen Sonderstatus und gezielte Förderung von Rückkehr- und Wiederaufbauprojekten durchzusetzen.