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Thomas Benedikter wegen Autonomiebuch in Diyarbakir angeklagt

Meinungsfreiheit auf Türkisch

Bozen, 3. Mai 2013

Thomas Benedikter. Thomas Benedikter.

"Propaganda für die PKK, Anklage, Strafverfahren...", als Thomas Benedikter am 20. April seine E-Mails abrief, staunte er nicht schlecht über diese Nachricht aus Diyarbakir, der heimlichen Hauptstadt Türkisch-Kurdistans im Südosten der Türkei. Sein dortiger Verleger teilte ihm mit, Autor und Verlag seien wegen Verletzung des Anti-Terror-Gesetzes angeklagt. "Die Regierung in Ankara verhandelt ja selbst mit Öcalan und der PKK", dachte sich Benedikter, Mitbegründer und langjähriger Leiter der GfbV-Südtirol, "zudem habe ich nie über die PKK geschrieben. Jeder kann sich meine Bücher über Autonomiesysteme auf Deutsch und Englisch aus dem Internet herunterladen und selbst überzeugen." Der Oberstaatsanwalt von Diyarbakir, Semih Akgün, sieht das offensichtlich anders.

Das Buch von Thomas Benedikter. Das Buch von Thomas Benedikter.

Corpus delicti ist ein knapper Band mit dem Titel "Avrupa'nin Özerk Bölgeleri", sinngemäß "Europas Autonomiesysteme", der im Herbst 2012 von Necat Ayaz übersetzt und im kleinen kurdischen Verlag ARAM herausgebracht wurde. Das Buch stellt die Kerngedanken politischer Autonomie und alle Territorialautonomien Europas vor. Weder von der Türkei, noch der PKK, nicht einmal von Kurdistan oder Kurden ist dabei die Rede. Der türkische Staatsanwalt hingegen listet seitenweise Stellen mit Propaganda für die PKK auf und stellt schließlich fest: "Das allgemeine Ziel dieser Übersetzung ist die politische Vertretung der PKK / KCK (Union der Gemeinschaften Kurdistans) und die Schaffung legislativer und exekutiver Befugnisse, Regionalbürgerschaft, Sprachenpolitik, Kontrolle der wirtschaftlichen Ressourcen unter der Leitung einer kurdischen Bewegung. Aus diesem Grund lässt sich ersehen, dass die Übersetzung demokratische Autonomie zum Gegenstand hat und die PKK / KCK dieses Autonomiemodell vertritt." Wenn dem bloß so wäre, meint Benedikter, wäre es doch ein Fortschritt für die Türkei. Doch scheine allein über Autonomie zu publizieren im Mitgliedsland des Europarats Türkei als Terrorismuspropaganda zu gelten. Arme Türkei, wenn sie Angst vor Büchern über Autonomie hat, meint GfbV-Ehrenmitglied Benedikter.

In Verlegenheit könnte neben ARAM noch ein anderer, türkischer Verlag kommen, Nika Yayinevi in Ankara. Dieser hat soeben Benedikters Buch "Moderne Autonomiesysteme" ins Türkische übersetzt und in Druck gegeben. Die Publikation soll die Debatte über Autonomie in der Türkei qualifizieren und fördern. Dort wird nicht nur die Autonome Region Kurdistan (Irak) vorgestellt, die in der ganzen Türkei als Autonomiesystem bekannt ist, sondern auch Türkisch-Kurdistan als ein Konflikt analysiert, der mit Territorialautonomie gelöst werden könnte. Doch auch da muss sich der Autor nicht vorwerfen lasse, für separatistische Kräfte einzutreten, stellt er doch abschließend fest: "Die Einrichtung einer Territorialautonomie, wie von kurdischer Seite in jüngster Zeit mehrfach gefordert, scheint auf dem Hintergrund des von Nationalismus und Zentralismus geprägten Staats zur Zeit noch als wenig wahrscheinlich, doch ist klar geworden, dass weder Sezession noch weitere Unterdrückung eine Konfliktlösung bringen wird." ( www.gfbv.at/publikationen/weiterepublikationen/Autonomiesysteme_Benedikter_2012.pdf).

Nun muss sich Benedikter allem Anschein nach am 3. Juni vor dem Oberlandesgericht für Strafsachen in Diyarbakir für sein "Verbrechen" verantworten. Wird er hinfahren? "Der Prozess richtet sich eigentlich gegen die kurdische Autonomiebewegung," meint der Südtiroler Autonomieforscher, "was hier läuft ist die übliche Einschüchterung der Kurden durch die Justiz, es gibt Hunderte von politischen Aktivisten, die in der Türkei aus politischen Gründen im Knast sitzen. Wenn ich verurteilt werde, werde ich aber die italienische Botschaft und den Außenminister ersuchen, offiziell in Ankara zu protestieren. Überhaupt sollte die EU bei den Verhandlungen mit der Türkei nicht nur auf eine Lösung der Zypern-Frage drängen, sondern auch viel deutlicher auf Einhaltung der Meinungsfreiheit, Minderheitenrechte und Lösung der Kurdenfrage beharren."