In: Home > News > Spanien / Katalonien: Vom vorauseilenden Gehorsam der deutschen Behörden - GfbV fordert sofortige Freilassung Puigdemonts
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Bozen, Göttingen, 26. März 2018
Kundgebung in Barcelona am 21. Oktober 2017. Foto: Fotomovimiento via Flickr.
Nach der gestrigen Verhaftung des ehemaligen Katalanischen
Präsidenten Carles Puigdemont an der deutsch-dänischen
Grenze, fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) die sofortige Freilassung des Politikers und dessen
sichere Weitereise nach Belgien. Sollte sich der Verdacht
erhärten, dass das Bundeskriminalamt mit dem spanischen
Geheimdienst im Vorfeld der Verhaftung aktiv kooperiert hat,
wäre dies ein politischer Skandal. Die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) fordert eine lückenlose
Aufklärung, wie es zu der Verhaftung gekommen ist und warum
der Zugriff kurz hinter der deutsch-dänischen Grenze und
nicht bereits in Dänemark oder Finnland erfolgt ist.
In Belgien und in der Schweiz blieben und bleiben katalanische
Unabhängigkeitspolitiker von den Behörden unbehelligt.
Offensichtlich teilen die belgische und schweizer Justiz nicht
den Vorwurf des spanischen Staates, dass es sich bei den
katalanischen Separatisten um Kriminelle handelt. Deutsche
Behörden scheinen hingegen die Haltung des spanischen
Staates zu teilen, wonach es sich beim katalanischen
Unabhängigkeitsreferendum vom vergangenen Herbst um eine
Rebellion handelt, um einen kriminellen Akt.
Anders verhält sich die Schweiz, dorthin hatte sich Anna
Gabriel von der linksradikalen Separatistenpartei CUP abgesetzt.
Franco Galli, Sprecher des Eidgenössischen
Justizdepartements in Bern sagte der Westschweizer Zeitung Le
Temps, dass ein etwaiges Auslieferungs- oder Rechtshilfegesuch
aus Spanien wohl chancenlos wäre. Da es sich "aller
Wahrscheinlichkeit nach" um ein "politisches Delikt" handle,
würde die Schweiz die spanische Justiz - im Sinne des
eidgenössischen Strafgesetzes und der Europäischen
Menschenrechtskonvention - nicht unterstützen.
Das Vorgehen der spanischen Justiz, es wurden bereits gegen
Puigdemont und zwölf weitere katalanische Politiker
Strafverfahren eingeleitet, gegen sieben ins Ausland ausgewichene
Politiker wurden neue Haftbefehle erlassen, stößt
innerhalb Spaniens auf Kritik.
Mehr als hundert Strafrechtprofessorinnen spanischer
Universitäten kritisieren in einem Manifest die
Generalstaatsanwaltschaft und Richterin Carmen Lamela vom
nationalen Gerichtshof (Audiencia Nacional). Das von der
katalanischen Regierung und den Mitgliedern des
Parlamentspräsidiums initierte
Unabhängigkeitsreferendum und die damit verbundene
Unabhängigkeitserklärung erfüllen laut den
Strafrechtlern weder den Straftatbestand des Aufruhrs noch jenen
der Rebellion. Sie weisen darauf hin, dass Gewalt als
"strukturelles Element" Voraussetzung für eine Anklage wegen
Rebellion sei - beim Referendum und bei der Erklärung der
Unabhängigkeit gab es keine Gewalttätigkeiten (nur am
Tag des Referendums sorgten die Militärpolizisten von der
Guardia Civil für Prügelszenen). Und selbst der mit
deutlich geringerem Strafmaß belegte Aufruhr sei nicht
gegeben, da die Angeklagten nicht an Tumulten teilgenommen oder
verursacht haben.
Auch wenn es die Straftat der Rebellion und des Aufruhrs geben
würde, schreiben die Strafrechtler, sei der nationale
Gerichtshof dafür nicht zuständig. Die Angelegenheit
gehöre vor ein ordentliches Gericht in Barcelona. Die
Audiencia Nacional habe in Vergangenheit schon öfter darauf
hingewiesen, dass sie für derartige Delikte nicht
zuständig ist. Im Manifest wird auch noch die
"unverhältnismäßige" Verhängung von
Untersuchungshaft kritisiert.
"Eine Auslieferung würde aller Wahrscheinlichkeit nach zu
einer Verurteilung führen, und Puigdemont drohen wegen
angeblicher "Rebellion" bis zu 25 Jahre Haft. Einen fairen
Prozess hat er in der aufgeheizten Stimmung, mit einer stark
politisierten Justiz in Spanien nicht zu erwarten".
Dieser Konflikt lässt sich nicht von einer politisch
aufgeheizten Justiz in Spanien lösen, sondern muss politisch
- am besten vermittelnd durch die Europäische Union -
gelöst werden.
Die Verhaftung Puigdemonts an der deutsch-dänischen Grenze
aufgrund eines europäischen Haftbefehls erinnert an die
Inhaftierung des Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli in
Spanien. Gewollt von der Türkei. Im Juli 2007 verhafteten
die italienischen Behörden den deutschen Staatsbürger
Dolkun Isa, uigurischer Menschenrechtsverteidiger und
Generalsekretär des Weltkongresses der Uiguren in
München. China lässt den Menschenrechtler wegen
vermeintlicher Unterstützung des Terrorismus per Haftbefehl
suchen.
Macht sich die deutsche Justiz mit der Verhaftung von Puigdemont
nicht zum Erfüllungsgehilfen einer verpolitisierten
spanischen Justiz?
Wolfgang Mayr, Präsident
der Gesellschaft für bedrohte Völker -
International
Jan Diedrichsen, Vorsitzender der Gesellschaft
für bedrohte Völker - Deutschland
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2017/171023de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2017/171002de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2017/170922de.html
| www.gfbv.it/3dossier/eu-min/catalan.html
| www.gfbv.it/3dossier/eu-min/cata-span.html
| www.gfbv.it/3dossier/eu-min/cata-eu.html
| www.gfbv.it/3dossier/eu-min/safepack.html
| www.gfbv.it/3dossier/eu-min/autonomy-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/eu-min/autonom.html
| www.gfbv.it/3dossier/3indice.html#eu-min
* www: www.minority-safepack.eu |
www.fuen.org | www.ciemen.cat