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Bozen, Göttingen, 16. April 2020
Sibirien: die Bedrohung der Umwelt bedroht auch die Kultur. Foto: Archiv GfbV.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt
vor einer wachsenden Bedrohung indigener Völker in der
russischen Arktis durch Covid-19. Der Rohstoffboom in den
Polarregionen bringt Großbaustellen mit viel wechselndem
Personal. Das gefährde die traditionell dort lebende
Bevölkerung: Im Norden des Landes gebe es nach den
Großstädten Moskau und St. Petersburg bereits jetzt
die höchste Zahl an Coronavirus-Infizierten. "Die Sami,
Nenzen, Komi und anderen indigenen Völker zahlen einen hohen
Preis für Russlands Wirtschaftswachstum. Nach der
Zerstörung ihrer Natur und Umwelt wird nun auch ihre
Gesundheit gefährdet, um Russlands Zugriff auf Rohstoffe zu
sichern", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Donnerstag
in Göttingen. Die Menschenrechtsorganisation fordert eine
Aussetzung neuer Großprojekte in der russischen Arktis, um
die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Die betroffenen
Unternehmen wollen ihre Großprojekte hingegen trotz
steigender Infektionszahlen fortführen.
So erklärte der russische Erdgas-Konzern Novatek am
gestrigen Mittwoch, der Bau einer neuen Fabrik nahe der Stadt
Murmansk zur Herstellung von Bohrplattformen für die
Erdgasförderung im Eismeer werde fortgeführt. "Nach
offiziellen Angaben sind inzwischen 206 Personen auf der
Großbaustelle Belokamenka an der Kola-Bucht mit dem Virus
infiziert", berichtet Delius. Innerhalb nur eines Tages
hätte sich die Zahl der Infizierten unter den 11.000
Beschäftigten auf der Baustelle fast verdoppelt. Die
russische Regierung war über die wachsende Zahl der
Infizierten so alarmiert, dass sie am Osterwochenende
medizinische Hilfsgüter einfliegen ließ, um ein
mobiles Krankenhaus zu errichten.
Auch auf den Erdgasfeldern auf der weiter östlich gelegenen
Yamal-Halbinsel greift Covid-19 immer mehr um sich. Die
betroffenen Einrichtungen werden vor allem von dem Konzern
Gazprom betrieben. Personal dieses Erdgas-Unternehmens wird
für die Zunahme von Coronavirus-Infektionen verantwortlich
gemacht. Nach dem Tod eines infizierten Gazprom-Mitarbeiters
fragen sich viele auf der Halbinsel lebende indigene Nenzen, ob
sie ausreichend medizinisch versorgt und auf mögliche
Infektionen getestet werden. "Die Gesundheitsversorgung in der
russischen Arktis ist katastrophal und auf eine hohe Zahl von
Coronavirus-Infizierten nicht vorbereitet. Für die Indigenen
in der Region kann die Pandemie zur Katastrophe werden", warnt
Delius.
Dass das Gesundheitssystem in der Polarregion bei der
Bekämpfung der Seuche überfordert ist, zeigte sich Ende
März 2020 in der Republik Komi, nördlich des
Ural-Gebirges. Als dort innerhalb eines Tages die Zahl der
Infizierten um einhundert Personen zunahm, schlugen die
Behörden Alarm. Selbst in Moskau wurde dies gehört und
der seit 15 Jahren amtierende Gouverneur innerhalb weniger Tage
abgelöst und durch den stellvertretenden russischen
Gesundheitsminister Vladimir Uiba ersetzt. Der 62-jährige
soll nun das Gesundheitssystem in Komi neu strukturieren, nachdem
es dort vor allem an Krankenhäusern viele
Covid-19-Erkrankungen gegeben hat.
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2016/160808de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2015/150807it.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2014/140909de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2014/140801de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2013/130806de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2009/090515de.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/artic2006-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/sibirien.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/sakhal-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/sibirien-tr.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/sibiri-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/siberia/sibirien-yb.html
in www: http://en.wikipedia.org/wiki/Indigenous_peoples