Bozen, Göttingen, 25 Februar 2007
Die Geschichte der legalen kurdischen Parteien in der
Türkei ist eng verbunden mit dem Ringen um demokratische
Rechte für die kurdische Volksgruppe. Ihre Vorsitzenden,
Funktionäre, Sympathisanten, Mitglieder und Wähler
haben früher wie heute eines gemein: Sie wurden stets
bedroht, verhaftet, verurteilt. Viele wurden gefoltert oder
ermordet, weil sie sich für Bürger- und
Minderheitenrechte, kulturelle Rechte, Legitimations- und
Vertretungsrechte der Kurden einsetzten. Bis heute ist die Gefahr
groß, dass prokurdischen Parteien in der Türkei
"Separatismus" vorgeworfen wird, sie als "illegal" bezeichnet und
verboten werden.
Die erste pro-kurdische Partei, die auch politisch arbeiten
konnte, war die kurdische Volksarbeiterpartei (HEP; Halkin Emek
Partisi). Sie wurde 1990 gegründet. Einige ihrer Politiker,
unter ihnen Leyla Zana, Hatip Diele, Orhan Dogan, Selim Sadak und
Ahmet Türk konnten 1991 auf Listenplätzen der
Sozialdemokratischen Partei (SHP; Sosyaldemokrat Halk Partisi) in
das Parlament einziehen. Zana, die ihren Amtseid auf
Türkisch schwor, jedoch auf Kurdisch hinzufügte: "Ich
werde mich dafür einsetzen, dass das kurdische und
türkische Volk zusammen in einem demokratischen Rahmen leben
können." bezahlte ihren Mut mit zwölf Jahren
Haft.
Bei einer Menschenrechtskonferenz in Diyarbakir forderte die
Leiterin der Gesellschaft für bedrohte Völker Bosnien
(GfbV), Fadila Memisevic, im September 1997 die anwesenden
türkischen Politiker öffentlich dazu auf, sich für
die Freilassung von Leyla Zana einzusetzen. Diese reagierten
empört darauf und drohten ihr mit einer Beschwerde bei dem
damaligen bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic. Und die
HEP wurde wegen "separatistischer Propaganda" vom
Verfassungsgericht verboten.
Türkei / Kurden
Gleichberechtigtes Miteinander
Die pro-kurdischen Parteien in der Türkei haben einen langen
Weg im Kampf für die Rechte der Kurden hinter sich. Sie
waren aber immer wieder mit staatlichen Verboten und Repressionen
konfrontiert. "Im Nahen Osten sind die Kurden die
größte Volksgruppe, die keine kulturellen,
sprachlichen und anderen nationalen Rechte hat", sagt Ahmet
Türk, Vorsitzender der Partei der demokratischen
Gesellschaft DTP (Demokratik Toplum Partisi). "Die Kurden leben
in der Türkei, im Irak, im Iran und in Syrien. Solange sie
Kurden in diesen Ländern rechtlos sind, wird sich keine
echte Demokratie entwickeln können.
In der Türkei beispielsweise leben Türken und Kurden
schon Jahrhunderte lang zusammen, doch ist es bis heute kein
gleichberechtigtes Miteinander. Die Existenz der Kurden wurde
geleugnet, ihre Sprache und Kultur wurden verboten, und wenn
Menschen sich gegen diese Zwänge gewehrt haben, wurden sie
verfolgt und unterdrückt. Die Probleme müssen in der
Türkei, von Vertretern der Kurden und Türken gemeinsam
angegangen werden."
Doch noch bevor diese Urteile gesprochen waren, war sie von
der Freiheits- und Gleichheitspartei (Özgürlük ve
Esitlik Partisi/ÖZEP), dann zur Freiheits- und
Demokratiepartei (Özgürlük ve Demokrasi Partisi
/ÖZDEP) und endlich zur Demokratie-Partei (Demokrasi
Partisi/DEP) umbenannt worden. Die DEP gab es nur bis zu ihrem
Verbot im Sommer 1994 und wurde von der Volksdemokratiepartei
(HADEP; Halkin Demokrasi Partisi) ersetzt. Diese scheiterte mit
1,17% bei den Wahlen 1995 an der Zehnprozent-Hürde. Doch
1999 verbuchte sie bei den Regionalwahlen große Erfolge. Zu
dieser Zeit wurden einige ihrer führenden Funktionäre
verhaftet. "Separatismus" lautete der Vorwurf gegen sie.
Dann wurde die HADEP verboten genauso wie ihre Nachfolgerin, die
DEHAP (Demokratik Halk Partisi; Volksdemokratische Partei), aus
der die Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP; Demokratik
Toplum Partisi) hervorging. Veranstaltungen der DTP werden
argwöhnisch beobachtet, gegen regionale Funktionäre
laufen Gerichtsverfahren. Ihnen wird vorgeworfen, die
Integrität des Staates gefährdet zu haben, weil sie bei
einem Parteikongress bewusst Kurdisch gesprochen hätten.
Neben der DTP versucht die weit schwächere HAK-PAR (Hak ve
Özgürlükler Partisi; Partei für Grundrechte
und Freiheit), kurdische Positionen durchzusetzen. Auch gegen die
HAK-PAR läuft ein Prozess.
Im Dezember 2006 gab der ehemalige Staatsminister Seraffetin
Elci bekannt, dass mit der "Partei für Demokratie und
Partizipation" (türkisch Katilimci Demokrasi Partisi, KADEP)
eine neue prokurdische legale Organisation gegründet werden
soll mit dem Ziel, alle prokurdischen Kräfte unter ein Dach
zu bringen. Elci hatte 1997 die die Demokratische Massenpartei
(Demokratik Kitle Partisi, DKP) gegründet, die zwei Jahre
später verboten worden war. Als Begründung wurde damals
angegeben, im Parteiprogramm seien "Elemente vorhanden, die die
Unteilbarkeit des türkischen Staates in Frage stellen". In
Wirklichkeit war dieses Verbot ein neuer Schlag gegen jene
Kräfte, die eine friedliche Lösung der Kurdenfrage
innerhalb der Grenzen der Türkei verlangten.
Die Bemühungen für eine friedliche Lösung der
Kurdenfrage wurden seitens der Kurden in den letzten Monaten
intensiviert. So nahmen nicht nur die bei- den DTP-Vorsitzenden
Ahmet Türk und Aysel Tugluk Mitte Januar an der Konferenz
"Die Türkei sucht ihren Frieden" in Ankara teil. Auch andere
Persönlichkeiten der türkischen Gesellschaft
beteiligten sich daran. Türkische Fernsehsender (ATV, CNN
Türk, NTV) und Tageszeitungen (Milliyet, Yeni Safak)
berichteten darüber. Selbst ehemalige leitende Mitarbeiter
des Geheimdienstes waren zugegen und bewerteten die
zweitägige Konferenz als positiven Beitrag zur
Lösungsfindung.
Die Konferenz verabschiedete die Grundzüge eines
Friedensprogramms und die Abschlusserklärung enthält
viele kulturelle, soziale, wirtschaftliche und politische
Vorschläge zur friedlichen Lösung des Kurdenkonfliktes.
Unter anderem wird darin betont, dass die kurdische Frage nicht
einfach als Terrorproblem abgetan werden darf. Nur ein
beidseitiger Waffenstillstand sei Grundlage für zivile
Lösungsansätze. Um den Anspruch der kurdischen
Volksgruppe auf politische Vertretung zu erfüllen, sei die
Abschaffung der Zehnprozenthürde dringend erforderlich.
Das Institut für Kurdische
Studien
Brückenschlag zwischen den Kulturen
Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der kurdischen Sprache
und Kultur, Bildungsaufgaben zur sozialen Integration in
Deutschland lebender Kurden und die Förderung der
kulturellen Toleranz der Kultur sowie der
Völkerverständigung - das sind die Ziele des Instituts
für Kurdische Studien in Berlin. Es wurde1988 als
wissenschaftliche Einrichtung ins Leben gerufen, 1995 wurde es
als überparteilicher und politisch unabhängiger,
gemeinnütziger Verein eingetragen.
Das Institut für Kurdische Studien stützt sich
überwiegend auf ehrenamtliche Mitarbeiter. Um seine
Arbeitsfähigkeit als wissenschaftliche Einrichtung zu
gewährleisten, kooperiert es eng mit dem Institut für
Iranistik der Freien Universität Berlin. Der Dozent für
kurdische Sprache, Literatur und Geschichte Feryad Fazil Omar
leitet das Institut für Kurdische Studien.
Quelle: www.i-f-kurdische-studien.de.
Aus pogrom-bedrohte Völker 241 (2/2007)