Bozen, Göttingen, 6. August 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat kurz
vor der Übergabe am 11.08. des Kommandos der
Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) durch Deutschland und die
Niederlande an die NATO eine enttäuschende Bilanz gezogen.
Während der sechs Monate unter deutsch-niederländischem
Kommando habe sich die Sicherheitslage in Kabul und in ganz
Afghanistan deutlich verschlechtert, der Wiederaufbau sei
gefährdet, legt die Menschenrechtsorganisation in einem
zwölfseitigen Memorandum dar. "Die deutschen Soldaten sind
in Kabul zwar beliebt und sehr bemüht, mehr Sicherheit zu
schaffen", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am
Dienstag, doch auch mit den besten Absichten hätten sie
nicht wettmachen können, dass ihr Mandat unzureichend
war.
"Die Chance wurde vertan, mit einer geographischen und
inhaltlichen Ausweitung des ISAF-Mandats zu mehr Sicherheit im
ganzen Land beizutragen", kritisierte Delius. Deutschland habe
sich beharrlich geweigert, sich für eine Erweiterung des
ISAF-Mandats einzusetzen, obwohl dies von der afghanischen
Regierung, den Vereinten Nationen und den im Land tätigen
internationalen Hilfsorganisationen immer wieder gefordert worden
sei. Die nun geplante Entsendung von Wiederaufbauteams (PRT) mit
Schutz deutscher Soldaten werde die Terrorherrschaft der Warlords
nicht stoppen. "Diese Pläne sind eine Mogelpackung, die den
Anschein erweckt, die internationale Staatengemeinschaft
engagiere sich für mehr Sicherheit in allen Teilen
Afghanistans", warnte der Menschenrechtler. Dadurch werde die
Macht der Warlords nur gestärkt und internationale Helfer
würden immer mehr zur Zielscheibe von Terroranschlägen
gemacht.
Schon heute gebe es fast täglich außerhalb Kabuls
Übergriffe auf Mitarbeiter internationaler
Hilfsorganisationen. Wenn das Land noch weiter ins Chaos
abgleite, würden der Wiederaufbau und die Schaffung
rechtsstaatlicher Strukturen zum Stoppen kommen. Auch in Kabul
verschlechtere sich die Sicherheitslage trotz der
ISAF-Präsenz immer mehr. So nähmen nicht nur die
Angriffe auf dort stationierte NATO-Soldaten zu. Auch die
Zivilbevölkerung klage immer häufiger über
Übergriffe von Milizen und Polizisten. Die von Tadschiken
kontrollierte Polizei sei wegen ihrer Willkür
berüchtigt. Im Westen Kabuls käme es immer mehr zu
Übergriffen von Milizen des einflussreichen Kommandeurs der
in der Regierung dominierenden Nord-Allianz, Abdul Rabb al-Rasul
Sayyaf.