Bozen, Göttingen, Den Haag, 7. Dezember 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat
anlässlich des am Mittwoch in Den Haag beginnenden
EU-China-Gipfels eine Neuorientierung der China-Politik der
Europäischen Union gefordert. "Statt nationale
Alleingänge in Peking kommentarlos hinzunehmen, muss sich
die EU endlich auf eine gemeinsame China-Politik
verständigen, die sich an den Menschenrechten orientiert",
sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. "Das Buhlen
Deutschlands und Frankreichs um die Gunst der chinesischen
Führung hintertreibt eine kritische Haltung gegenüber
der Volksrepublik und ist deshalb nicht mit einer gemeinsamen
Linie vereinbar", kritisierte Delius. "Deutschland und Frankreich
gefährden mit ihren deutlichen Plädoyers für
Pekings Haltung in der Taiwan-Frage auch die Sicherheit der
Region. Dieser Politik darf die EU nicht länger tatenlos
zuschauen."
Bislang hat sich die EU im Konflikt zwischen Peking und Taipeh
neutral verhalten. Doch sowohl Bundeskanzler Gerhard
Schröder als auch Frankreichs Präsident Jacques Chirac
haben mehrfach Verständnis für die Position Chinas
erklärt, das immer deutlicher Taiwan mit einer
Militärintervention droht. Eine Aufhebung des
EU-Waffenembargos, die von beiden Präsidenten massiv
vertreten wird, werde die Sicherheit Taiwans noch mehr
gefährden, warnte Delius. China habe bereits Interesse am
Kauf von französischen High-Tech-Waffensystemen im Wert von
10 Milliarden Euro gezeigt, die für einen Krieg gegen Taiwan
genutzt werden könnten. Da sich Frankreich nur wegen dieser
Rüstungsexporte für die Aufhebung des Embargos
einsetzt, sei nicht zu erwarten, dass ein Export dieser
Waffensysteme an dem EU-Verhaltenskodex für
Rüstungsexporte scheitere. "Der Kodex ist ineffektiv und
löcherig wie ein Schweizer Käse", sagte Delius.
Angesichts der katastrophalen Lage der Menschenrechte und der
zunehmenden ethnischen, sozialen und religiösen Konflikte in
China, die auch die Stabilität der Volksrepublik langfristig
bedrohen, müsse die EU Menschenrechten mehr Raum in den
Beziehungen zu dem ostasiatischen Staat geben, fordert die GfbV.
Auch müsse die EU dringend ihren 1996 mit China begonnenen
Menschenrechtsdialog reformieren. Bislang seien seine Ergebnisse
äußerst dürftig, denn der Dialog habe nicht zu
einer Verbesserung der Menschenrechtslage beigetragen. Ihm fehle
es nicht nur an Transparenz, sondern auch an der Formulierung
konkreter Ziele sowie an der Einbeziehung von mehr chinesischen
und ausländischen Nichtregierungsorganisationen.
Plädoyer für eine neue Chinapolitik der Europäischen Union. Menschenrechtsreport Nr. 36 der Gesellschaft für bedrohte Völker: >> www.gfbv.de/download/China1204.pdf [PDF, 252 KB].