Bozen, Göttingen, 23. Februar 2005
Anlässlich des 61. Jahrestages der kollektiven
Deportation des tschetschenischen Volkes (23. Februar 1944)
erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
daran, dass 40 Millionen Menschen zwischen 1917 und 1953 durch
die Terrorherrschaft von Josef Stalin vernichtet worden sind. In
Russland kämpft die weltbekannte Menschenrechtsorganisation
Memorial mit ihrem Ehrenpräsidenten, dem berühmten
russischen Menschenrechtler Sergej Kowaljow, um die Erinnerung an
diesen furchtbaren jahrelangen Massenmord. "Wir teilen seine
Sorge, dass sich der russische Präsident Wladimir Putin in
seiner politischen Praxis sowie in seinem
Geschichtsverständnis zunehmend dem Stalinismus
annähert", sagte der GfbV-Generalsekretär Tilman
Zülch am Mittwoch. Bundeskanzler Gerhard Schröder wirft
der Menschenrechtler vor, dass ihn eine enge Freundschaft mit dem
ehemaligen KGB-Offizier verbindet.
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in der
damaligen Sowjetunion 48 verschiedene religiöse und
ethnische Gemeinschaften deportiert, am 23.2.1944 die miteinander
verwandten Völker der Inguschen und Tschetschenen. Ihr
Transport ging nach Zentralasien. Zehntausende tschetschenische
Männer, Frauen und Kinder - verschiedenen Schätzungen
zufolge rund ein Drittel dieses kleinen Volkes - starben
während der Fahrt oder im Exil an Hunger, Kälte und
Krankheiten. Das Schicksal der Tschetschenen und Inguschen
teilten unter anderem die Krimtataren, Karatschaier, Balkaren und
Meschketen, Kalmücken, Sowjetgriechen, Fernostkoreaner und
die Russlanddeutschen. In allen diesen Fällen wurden
größere Teile dieser Gemeinschaften vernichtet, so
dass nach der Konvention der Vereinten Nationen über die
Verhütung und Bestrafung des Völkermords von 1948
Genozid verübt wurde.
Erst nach über zehn Jahren im zentralasiatischen Exil
durften die überlebenden Tschetschenen zurückkehren.
Doch unter der Herrschaft des russischen Präsident Boris
Jelzin wurde die Genozidpolitik gegenüber den Tschetschenen
wieder aufgenommen. Von 1994 bis 1996 kamen dabei 80.000 Menschen
ums Leben. Seit 1999 starben nochmals 80.000 Tschetschenen.
Insgesamt sind dies knapp 20% dieser kleinen ethnischen
Gemeinschaft.