Bozen, Göttingen, 20. September 2004
Die Begnadigung des russischen Panzeroberst Juri Budanow durch
die Amnestiekommission des Regionalgerichts in Uljanowsk hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Montag als
"unverantwortlichen Beitrag zur Eskalation der Gewalt in
Tschetschenien" bezeichnet. Die Menschenrechtsorganisation
appellierte in einem Schreiben an Bundeskanzler Gerhard
Schröder, den befreundeten russischen Präsidenten
Wladimir Putin zu drängen, den wegen Mordes an einer jungen
Tschetschenin verurteilten Budanow nicht in die Freiheit zu
entlassen. Putin muss die Amnestie in letzter Instanz noch
bestätigen.
"Wenn die russische Regierung Tschetschenien endlich Frieden
bringen will, dann dürfen diejenigen, die sich schwerster
Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, nicht straffrei
ausgehen", heißt es in dem GfbV-Schreiben an Schröder.
Nur eine konsequente Strafverfolgung der Täter auf beiden
Seiten könne dazu beitragen, die Spirale von Gewalt und
Gegengewalt zu beenden. Durch fortgesetzte willkürliche
Übergriffe, Verschleppungen, Vergewaltigungen und Morde
durch Angehörige der russischen Sicherheitskräfte wird
die Zivilbevölkerung in Tschetschenien bis heute in Angst
und Schrecken gehalten.
Budanow war der erste Angehörige der russischen Armee, der
wegen eines Verbrechens gegen die tschetschenische
Zivilbevölkerung vor Gericht gestellt wurde. Er hatte im
März 2000 die 18-jährige Tschetschenin Heda Kungajewa
aus dem Dorf Tangi-Tschu bestialisch vergewaltigt und danach
erwürgt. Wegen Unzurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt
wurde er jedoch im Dezember 2002 freigesprochen. Im Februar 2003
ordnete das oberste russische Gericht eine Wiederaufnahme des
Verfahrens an. Im Juli 2003 wurde Budanow schuldig gesprochen und
zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt. Den Einspruch des
Panzeroberst gegen das Urteil wies das Gericht im Oktober 2003
zurück. Daraufhin hatte Budanow ein Gnadengesuch bei der
Amnestiekommission eingereicht. Die Eltern der ermordeten jungen
Frau haben sich inzwischen an den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gewandt.