Bozen, Göttingen, 7. Juni 2005
Schwere Vorwürfe gegen die Serbisch-orthodoxe Kirche hat
die Gesellschaft für bedrohte Völker International
(GfbV) nach der Veröffentlichung des so genannten
Srebrenica-Videos erhoben. "Die Serbisch-orthodoxe Kirche hat die
Ermordung und Vertreibung der bosnischen Muslime und damit die
Auslöschung des 500 Jahre alten mitteleuropäischen
Islam aus Bosnien bedingungslos unterstützt", sagte der
Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, am
Dienstag in Göttingen. "Das Video belegt einmal mehr, wie
unmittelbar diese Kirche in den Genozid an den bosnischen
Muslimen verstrickt ist." Darin ist zu sehen, wie der in Serbien
populäre Abt Gavrilo aus dem Kloster des heiligen Erzengels
in Privina Glava bei Sid im Nordwesten von Belgrad die serbischen
Mörder von sechs muslimischen Zivilisten aus Srebrenica
segnet.
"Eine ähnliche Szene ist auf einem weltweit verbreiteten
Foto der Agentur Reuters zu sehen, das wenige Tage nach der
Erschießung von mindestens 7.800 bosnischen Männern
und Knaben aus der ehemaligen UN- Schutzzone durch serbische
Einheiten in Ostbosnien am 25. Juli 1995 aufgenommen wurde,
berichtete Zülch, "dort reicht Patriarch Pavle, der
höchste Geistliche der Serbisch-orthodoxen Kirche, den heute
mit internationalem Haftbefehl gesuchten Hauptkriegsverbrechern
Radovan Karadzic und Ratko Mladic in Sokolac bei Sarajevo
geweihtes Brot."
Noch zu Silvester 1994/95 habe die Heilige Synode, das oberste
Leitungsgremium der Serbisch-orthodoxen Kirche, es für
"unchristlich" erklärt, die serbische Armee als Aggressor zu
bezeichnen, berichtete Zülch. "Patriarch Pavle und die
große Mehrheit der serbischen Bischöfe haben sich seit
1991 immer wieder für den Anschluss der ethnisch
gesäuberten Gebiete Kroatiens und Bosniens an Serbien
eingesetzt. Im Juli 1994 hatte die serbische Bischofskonferenz,
angeführt von "Seiner Heiligkeit", dem serbischen
Patriarchen Pavle, die serbische Nation aufgefordert, "in voller
Verantwortung vor Gott und vor unserem Volk sich zu erheben". Im
Oktober 1994 widersetzte sich die Serbisch-orthodoxe Kirche allen
Versuchen, den Friedensplan der internationalen Gemeinschaft zu
unterzeichnen, es sei denn die von Serbien besetzten Gebiete
dürften sich Serbien anschließen. Der GfbV liegen eine
Reihe von ähnlichen Aussprüchen serbischer
Bischöfe vor. Nur der serbisch-orthodoxe Bischof von
Hildesheim, Konstantin Djokic, hat ein Schuldeingeständnis
für die serbische Seite abgegeben. Draufhin wurde seine
westeuropäische Diözese halbiert.
Bereits während des Bosnienkrieges hatte sich die GfbV an
die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und den Deutschen
Evangelischen Kirchentag gewandt und sie darauf aufmerksam
gemacht, dass serbische Truppen in Bosnien 1183 Moscheen und
muslimische Gebetshäuser, darunter prachtvolle
jahrhundertealte Denkmäler der islamischen Kultur in Europa,
verbrannt oder gesprengt haben. Auf den Ruinen verschiedener
Moscheen hatte die Serbisch-orthodoxe Kirche mit dem Neubau von
Kirchen begonnen wie in Foca und Brcko. In Konjevic Polje wurde
in unmittelbarer Nähe eines Massengrabes für ermordete
Muslime einen neue serbisch-orthodoxe Kirche errichtet.
Die GfbV fordert heute die EKD, den Lutherischen Weltbund, den
Weltkirchenrat und die Leitung des Deutschen Evangelischen
Kirchentages mit Schreiben auf, einen Dialog mit der Serbisch-
orthodoxen Kirche aufzunehmen. Vor allem die evangelischen
Kirchen, die auf vielfache Weise mit den orthodoxen Kirchen
verbunden sind, müssten die Serbisch-orthodoxe Kirche zur
Umkehr bewegen. Diese müsste ihr Versagen dokumentieren und
sich bei den bosnischen Opfern entschuldigen.