Bozen, Göttingen, Sarajevo, Srebrenica, 5. Oktober 2005
Eine internationale Sonderkommission muss die 19.473 Serben
aus Serbien und Bosnien, die direkt oder indirekt am Massaker von
Srebrenica 1995 beteiligt waren, überprüfen und endlich
diejenigen aus dem Dienst suspendieren, die noch immer
unbehelligt öffentliche Ämter ausüben. Diese
Forderung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker
International (GfbV) am Mittwoch erhoben, nachdem die für
die Untersuchung des Massakers zuständige
Regierungskommission und Arbeitsgruppe am Dienstag eine Liste mit
den Namen der Beteiligten vorgelegt haben. Außerdem
forderte die Menschenrechtsorganisation, deren bosnische
GfbV-Sektion Büros in Sarajevo und Srebrenica
unterhält, dringend die sofortige Amtsenthebung des heutigen
Polizeichefs der serbischen Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas,
Dragan Andan. Er war ein enger Mitarbeiter des für die
Massenerschießungen in Srebrenica hauptverantwortlichen
serbischen Generals, Ratko Mladic.
"Die Opferverbände der Frauen von Srebrenica haben kein
Vertrauen, dass die Staatsanwaltschaft Bosnien-Herzegowina und
das UN-Tribunal in Den Haag schnell und unbürokratisch gegen
die Täter vorgehen", berichtete der Präsident der GfbV
International, Tilman Zülch. "Sie gehen davon aus, dass wie
bisher nur ganz wenige der Kriegsverbrecher zur Rechenschaft
gezogen werden und dass die Stadt Srebrenica, die umgehende
Drina-Region und die serbisch kontrollierte Hälfte Bosniens
weiterhin von den Tätern dominiert werden. Immerhin ist es
ein Fortschritt, dass die achtköpfige Arbeitsgruppe der
Regierung zur Untersuchung des Massakers eingestanden hat, dass
sich eine große Zahl von Angehörigen der Armee und der
Spezialeinheiten des Innenministeriums Serbiens (MUP) an dem
Verbrechen beteiligt haben." Der Arbeitsgruppe gehören
sieben serbisch-bosnische Persönlichkeiten und der
renommierte bosnisch-muslimische Genozidforscher Smail Cekic
an.
Inzwischen sind die Namen von 8.106 bosniakische Männern
und Jugendlichen bekannt, die im Juli 1995 von serbischen
Einsatztruppen ermordet wurden. "Die rund 4.500 Rückkehrer
von Srebrenica, die fast alle Angehörige durch das Massaker
verloren haben, können nur zur Ruhe kommen, wenn die
Täter zur Rechenschaft gezogen werden", sagte Zülch.
Nach Schätzungen der GfbV bekleiden noch immer bis zu 500
Personen im heute serbisch-kontrollierten Ostbosnien
öffentliche Positionen.