Bozen, Göttingen, Sarajevo, 15. September 2005
Ein sofortiges Verbot der Karadzic-Partei SDS und die
Auflösung des bosnischen Teilstaates Republika Srpska hat
die Gesellschaft für bedrohte Völker International
(GfbV) auch im Namen ihrer bosnischen Sektion am Donnerstag von
der internationalen Gemeinschaft gefordert. Nur so könne aus
dem de facto geteilten Bosnien-Herzegowina ein
funktionsfähiger Staat geschaffen werden. "Die in der
Republika Srpska regierenden Extremisten haben ihr wahres Gesicht
gezeigt: Sie haben mit der Ablehnung der Polizeireform ganz
Bosnien-Herzegowina zur Geisel genommen und erneut den Einzug in
die Europäische Union sowie die Eingliederung in die
europäische Völkerfamilie verhindert", sagte der
Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, in
Göttingen. "Alle Hohen Repräsentanten der
internationalen Gemeinschaft in Sarajevo haben seit 1995 die
permanente Blockadepolitik der Karadzic-Partei hingenommen und
somit die ethnische Säuberung und die Teilung des Landes
zementiert. Deshalb tragen Carl Bildt, Carlos Westendorp,
Wolfgang Petritsch und Paddy Ashdown die Hauptverantwortung
für diese tragische Entwicklung."
Die Polizeireform hatte zum Ziel, eine einheitliche, ethnisch
neutrale Polizei für ganz Bosnien-Herzegowina zu schaffen.
Sie war eine der Voraussetzungen für den Beginn von
Gesprächen über eine engere Zusammenarbeit Bosniens mit
der EU.
Bosnien-Herzegowina ist seit Ende des Krieges 1995 geteilt.
Damals entstand der Teilstaat "Republika Srpska" durch den
Vertrag von Dayton nach dem vierjährigen Versagen des
Westens, den Völkermord in Bosnien-Herzegowina zu beenden
und die ethnischen Säuberungen zu stoppen. Nahezu alle
Regierungsfunktionen wurden auf die beiden bosnischen Teilstaaten
konzentriert, während der Zentralregierung nur wenige
Kompetenzen zugestanden wurden. Die Republika Srpska, ein nach
einer 500-jährigen gemeinsamen Geschichte willkürlich
herausgeschnittener Teil Bosnien-Herzegowinas, war immer eine
multiethnische Region, in der vor der Vertreibung neben etwa
800.000 serbischen Bosniern rund 700.000 muslimische, kroatische
und so genannte jugoslawische Bosnier zusammenlebten. Diese
Region war der Hauptschauplatz der furchtbaren Kriegsverbrechen
und ethnischen Säuberungen des Bosnienkrieges. Vor ihrer
Vertreibung wurden dort Zehntausende in Konzentrations-,
Vergewaltigungs- und Internierungslagern gefangen gehalten oder
ermordet. Die Moscheen wurden ohne Ausnahme ebenso zerstört
wie die Mehrheit der katholischen Kirchen.
Die von Karadzic gegründete und noch immer in seinem Geist
funktionierende Serbische Demokratische Partei (SDS) verhindert
bis heute die Rückkehr einer großen Mehrheit der
Vertriebenen und die Aburteilung von Hunderten mutmaßlichen
Kriegsverbrechern. Außerdem blockiert sie das Funktionieren
des bosnischen Gesamtstaates.