Bozen, 14. Dezember 2005
Die Gesellschaft für bedrohte Völker - Südtirol
(GfbV) hat den von Landeshauptmann Haider präsentierten
Vorschlag zur Regelung der Ortstafelfrage als verfassungswidrig
kritisiert. Der Verfassungsgerichtshof hatte entschieden, dass
Orte mit einem 10% slowenischen Bevölkerungsanteil
zweisprachige Aufschriften erhalten müssen. Jetzt sollten
aber nur noch Gemeinden in Frage kommen, die mehr als 10% und in
diesen Gemeinden nur Orte mit mehr als 15% slowenischer
Bevölkerung aufweisen. Haider kündigte an, diese
Vorschläge als ein Verfassungsgesetz zu verabschieden. Das
ist eine Provokation, ein Anschlag auf verbriefte
Minderheitenrechte und ein Versuch, einen völkerrechtlichen
Vertrag wie den Staatsvertrag durch eine innerstaatliche
Verfassungsbestimmung außer Kraft zu setzen. Der in der
sogenannten Konsenskonferenz ausgehandelte Kompromissvorschlag
zwischen Slowenenvertretern und dem Kärntner Heimatdienst
wird damit weit unterschritten.
Der Heimatdienst zeigt inzwischen eine größere
Sensibilität als der Kärntner Landeshauptmann. Haider
schlägt sogar vor, bereits bestehende zweisprachige
Ortstafeln wieder abzumontieren. Der Abriss jener Ortstafeln, die
gemäß der Topographieverordnung von 1977 aufgestellt
wurden, ist ein kaltschnäuziger Eingriff in bestehendes
Recht. Das widerspricht internationalem Recht wie dem Art. 22 der
von Österreich ratifizierten Europäischen
Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten. Haiders will
mit seinen Vorschlägen den Känrtner Wahlkampf
aufheizen. Bedauerlich ist, daß sich die SPÖ vom
Ortstafel-Erkenntnis verabschiedet hat. Die Sozialdemokraten
wollen mit dezidiert antislowenischer, deutschnationaler Politik
bestimmten Wählerschicht bedienen.
Die GfbV-Südtirol unterstützt deshalb den Rat der
Kärntner Slowenen, weitere VfGH-Beschwerden voranzubringen
und die Ortstafelfrage zu internationalisieren. Der Rat tut gut
daran, vor Übernahme der EU-Präsidentschaft durch
Österreich die EU-Mitglieder, die EU-Kommission und das
Europäische Parlament über die bedenkliche Entwicklung
des Minderheitenschutzes in Kärnten zu informieren. Was
können sich Sprachminderheiten von einer
österreichischen EU-Ratspräsidentschaft erwarten, wenn
die zuständige Bundesregierung seit Jahren die Umsetzung des
Ortstafelurteils des Verfassungsgerichts boykottiert, bei
sogenannten Konsenskonferenzen ein Großteil der Vertreter
der Slowenenverbände gar nicht eingeladen werden.