Bozen, Göttingen, 30. Mai 2006
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Dienstag vor der Gefahr eines neuen Krieges zwischen
Äthiopien und Eritrea gewarnt, sollte der Weltsicherheitsrat
wie geplant den Abzug der Hälfte der an der Grenze zwischen
beiden verfeindeten Staaten stationierten UN-Friedenstruppen
beschließen. "Ein Abzug der UN-Blauhelme wäre zu
diesem Zeitpunkt unverantwortlich und ein falsches Signal an die
Konfliktparteien, die ihre Spannungen offenkundig ohne
internationale Vermittlung nicht beilegen können", warnte
die GfbV in einem Schreiben an den Präsidenten des
Weltsicherheitsrates. Die Menschenrechtsorganisation erinnerte
daran, dass der mörderische Stellungskrieg zwischen den
beiden Staaten 1998 bis 2000 bereits mehr als 100.000 Menschen
das Leben gekostet hat und mahnte: "Statt sich enttäuscht
abzuwenden, sollte die internationale Gemeinschaft ihren Druck
auf die Konfliktparteien nochmals erhöhen, um eine
friedliche Klärung der Grenzstreitigkeiten zu erreichen."
Äthiopien und Eritrea ringen nicht nur um die Kontrolle
einiger kleiner Wüstengebiete, sondern auch um die
militärische und politische Vormachtstellung in der
Region.
Der Weltsicherheitsrat muss bis Mittwochabend über die
Zukunft seines Engagements im Horn von Afrika entscheiden. Vor
allem die USA haben nach gescheiterten
Vermittlungsgesprächen zwischen beiden Staaten im Mai 2006
in London eine deutliche Verringerung der UN-Friedenstruppen
sowie eine Einschränkung ihres Mandats angeregt. So sollen
die in der 24 Kilometer breiten Pufferzone entlang der 1.000
Kilometer langen Grenze stationierten 3000 Blauhelm-Soldaten um
die Hälfte reduziert werden und zukünftig nur noch
Beobachterstatus haben. "Doch mit nur 1.500 Soldaten lässt
sich diese lange Grenze nicht wirksam überwachen", warnte
die GfbV.
Sowohl Äthiopien als auch Eritrea stünden auch
innenpolitisch so unter Druck, dass die Versuchung groß
sei, diesen Spannungen mit einem neuen Krieg gegen das
Nachbarland zu begegnen. Erst Ende April 2006 habe
Äthiopiens Premierminister Meles Zenawi Eritrea
öffentlich beschuldigt, seit Januar 2006 für mehr als
ein Dutzend Sprengstoffanschläge in Äthiopien
verantwortlich zu sein. In beiden Staaten werde die demokratische
Opposition massiv unterdrückt, die Presse-, Meinungs- und
Versammlungsfreiheit mit Füßen getreten.