Bozen, 16. August 2006
Die Initiative Minderheiten hat die neue Ausgabe ihrer
Zeitschrift "Stimmen von und für Minderheiten" dem 1976
verabschiedeten "Volksgruppengesetz" gewidmet. Vladimir Wakounig,
Vorsitzender der Initiative, untersucht kritisch die Entstehung
des "Volksgruppengesetzes". Rechtsanwalt Rudi Vouk, auf dessen
Beschwerde die Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis zur
Ortstafelfrage vom Jahr 2001 beruht, spricht im Interview mit
Marko Gabriel von der Rechtslage und der aktuellen
Minderheitenpolitik in Österreich. Der Schriftsteller Erwin
Riess lässt die Helden Groll und Dozent ein Gespräch
über den Minderheitenschutz in Österreich führen
in dem sie sich fragen, warum die Minderheiten nicht zu mehr
demokratischen Protestformen greifen und die slowenischen
Funktionäre es nicht mit Politik versuchen. Hakan
Gürses thematisiert die Geschichte des Minderheitenrechts im
Land.
Am 7. Juli 1976 verabschiedete das österreichische Parlament
das Bundesgesetz über die Rechtsstellung von Volksgruppen in
Österreich, kurz: das Volksgruppengesetz. Neben der
"Präzisierung" bzw. der Neukonzeption einiger im Artikel 7
des Staatsvertrags 1955 enthaltenen
Minderheitenschutzbestimmungen beinhaltet das Gesetz auch eine
Definition des Begriffs "Volksgruppe".
Das Volksgruppengesetz widerspiegelt einerseits den Zeitgeist der
70er Jahre. Der Kärntner "Ortstafelsturm" zwang damals die
politischen Parteien dazu, die im Artikel 7 verbrieften, jedoch
nicht gänzlich umgesetzten Rechte der Minderheiten im Rahmen
eines auf Konsens zielenden Regelwerks neu zu "verhandeln". Auf
diese Weise hoffte der Gesetzgeber, sowohl den Konflikt zu
beenden, als auch dem Artikel 7 den "Stachel" zu nehmen.
Andererseits hat das Gesetz mit seinem Inkrafttreten neue
rechtliche und politische Probleme mit sich gebracht und ist
folgerichtig auf Kritik seitens der Volksgruppenorganisationen
und RechtsexpertInnen gestoßen. Angesichts der aktuellen
Lage bezüglich der Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln in
Kärnten (samt dem VfGH-Erkenntnis aus dem Jahr 2001) ist das
Verhältnis zum Volksgruppengesetz, das heuer seinen 30.
"Geburtstag" feiert, ambivalenter denn je.
Im STIMME-Heft mit dem Schwerpunkt "30 Jahre Volksgruppengesetz"
thematisieren wir diese Ambivalenz, deren Gründe und
natürlich das Gesetz selbst. Aufgrund der erwähnten
aktuellen Ereignisse um die "Ortstafeldebatte" in Kärnten
mit allen dazugehörigen Lösungsmodellen,
Schlichtungsversuchen und dem jüngst gescheiterten
Einigungsversuch stehen dabei vor allem die Anliegen der
slowenischen Minderheit in Kärnten im Vordergrund. Dennoch
gelten viele in den Thema-Beiträgen behandelten Punkte auch
für andere Volksgruppen, ja für alle Minderheiten in
Österreich - denn es geht um den Umgang der Republik
Österreich mit ihren Minderheiten.