Bozen, Göttingen, 1. November 2006
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Mittwoch eindringlich vor einem neuen großen Krieg im Horn
von Afrika gewarnt. Wenn die Intervention ausländischer
Truppen in Somalia nicht gestoppt werde, werde es zu einer
Massenflucht von hunderttausenden Menschen kommen, sagte der
GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen. Seit Januar
2006 seien bereits mehr als 32.000 Menschen aus Somalia in das
Nachbarland Kenia geflohen. Weitere 80.000 Flüchtlinge
würden in den kommenden zwei Monaten erwartet und dies sei
nur der Anfang einer drohenden humanitären Katastrophe.
Truppen der verfeindeten Länder Äthiopien und Eritrea
schickten sich an, in Somalia einen Stellvertreterkrieg zu
beginnen. Dem dürfe die EU nicht länger tatenlos
zusehen.
Nachdrücklich müsse die EU gegenüber
Äthiopien und Eritrea auf einem sofortigen Rückzug
ihrer Truppen aus Somalia bestehen, forderte die GfbV in
Schreiben an die EU-Kommission und die finnische
EU-Präsidentschaft. Denn diese ausländischen Soldaten
schürten dort nur anti-äthiopische Gefühle.
Äthiopien spiele mit seinem Militäreinsatz
radikal-muslimischen Kräften in die Hände, die nun zum
"Heiligen Krieg" gegen das Nachbarland aufrufen. "Äthiopiens
militärisches Engagement in Somalia ist unverantwortlich, da
bis zu zwölf Staaten in einen Krieg verwickelt werden
könnten", warnte Delius. Massive Kritik übte die GfbV
an der EU. Im Gegensatz zur US-Regierung, die in den letzten
Tagen Äthiopien mehrmals zum Rückzug seiner Truppen
aufgefordert habe, bleibe Brüssel untätig. Zwar habe
die EU-Kommission erst am 20.Oktober 2006 ein neues
Strategiepapier zum Horn von Afrika vorgelegt, doch konkrete
Initiativen zur Sicherung des Friedens seien ausgeblieben. Auch
unternehme die EU nichts, um die Spannungen zwischen
Äthiopien und Eritrea abzubauen.
Experten der Vereinten Nationen gehen davon aus, dass zurzeit
mindestens 6.000 äthiopische Soldaten und bis zu 2.000
eritreische Armeeangehörige auf somalischem Territorium
operieren. Während Äthiopien sich mit seinem Engagement
an der Seite der machtlosen gemäßigten
Übergangsregierung als Partner im Kampf gegen den Terror
empfehlen und seine unsichere Grenze zu Somalia sichern
möchte, will Eritrea mit seiner Unterstützung
radikal-muslimischer Kräfte nur dem verfeindeten
Äthiopien schaden. So droht in Somalia eine Fortsetzung des
Grenzkrieges zwischen Äthiopien und Eritrea, der von 1998
bis zum Jahr 2000 mehr als 100.000 Menschenleben kostete.