Bozen, Göttingen, Erbil, 22. November 2006
Der neue deutsche Botschafter im Irak, Martin Kobler, hat
gestern das Büro der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) in Arbil besucht und sich über die
Menschenrechtsarbeit der GfbV-Sektion Kurdistan/Irak informiert.
Mit Blick auf die Rechte und den Schutz der Minderheiten und
Nationalitäten wies der Präsident der
GfbV-International, Tilman Zülch, bei dem Gespräch mit
dem Botschafter darauf hin, dass der kurdische Bundesstaat im
Nordirak auf dem Weg zu einem Vorbild für die Länder
des Nahen Ostens sei. Anerkannt wurde von der
Menschenrechtsorganisation, dass Angehörige der so genannten
kleineren Völker der assyro-chaldäischen Christen und
Turkmenen sowie der religiösen Gemeinschaft der Yezidi in
der Administration präsent seien.
Der Botschafter versicherte der GfbV-Kurdistan/Irak, dass ihm
die Autonomie und Entwicklung des kurdischen Bundesstaates
besonders am Herzen lägen und betonte, dass
Nationalitätenrechte eine entscheidende Grundlage für
den Weg zu einer rechtstaatlichen Zivilgesellschaft seien. An dem
Gespräch mit dem Botschafter nahmen zwölf Mitglieder
des 25-köpfigen Beirates der GfbV-Kurdistan/Irak teil, unter
ihnen Staatsminister Dr. Daxil als Vertreter der Yezidi, der
Tourismusminister und Repräsentant der christlichen
Assyro-Chaldäer Namrud Bayto, Frau Nazdar Mahmud als
Vertreterin der Barzan-Frauen sowie Yusif Dzayi, der
Generalsekretär der Organisation der überlebenden
Anfal-Opfer.
Die GfbV arbeitet eng mit der Nichtregierungsorganisation der
Anfal-Opfer in Kurdistan/Irak zusammen und teilt mit ihr ein
Büro-Haus in Arbil. Anfal hieß die unter dem
irakischen Diktator geführte Vernichtungsaktion, bei der
Giftgas eingesetzt wurde. Ihr sollen bis zu 182.000 Menschen,
überwiegend Kurden, aber auch assyro-chaldäische
Christen, Turkmenen und Yeziden zum Opfer gefallen sein. Die
Organisation der Anfal-Opfer ist daran beteiligt, die Unterlagen,
Augenzeugenberichte und Beweismaterial für den zweiten
Prozess gegen Saddam Hussein zusammenzutragen. Die im Barzan-Tal
lebenden Kurden mussten 1984 ein ähnliches Schicksal
erleiden wie die Einwohner von Srebrenica in Bosnien 1995: Rund
8.000 Jungen und Männer des Barzan-Stammes wurden von den
Einheiten Saddam Husseins getötet.