Bozen, Göttingen, 23. November 2006
Mindestens 500 indianische Frauen und Mädchen sind in den
vergangenen 20 Jahren in Kanada Gewaltverbrechen zum Opfer
gefallen oder ganz einfach "verschwunden". Darauf macht die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich
des UN-Tags zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (Samstag, 25.
November) aufmerksam. "500 Opfer in zwei Jahrzehnten, das
bedeutet durchschnittlich zwei ermordete, vergewaltigte oder
verschleppte Frauen in jedem Monat seit 1986", kritisierte die
GfbV-Referentin für Indigene Völker, Yvonne Bangert, am
Donnerstag in Göttingen. "Diese dramatischen Zahlen zeigen,
in welch großem Elend die Ureinwohner Kanadas bis heute
leben. Gerade die Frauen sind besonders wehrlos, denn sie werden
doppelt diskriminiert, als Indianerin und als Frau." Die
Menschenrechtsorganisation appellierte deshalb an den kanadischen
Premierminister Stephen Harper, sofort Maßnahmen zum Schutz
dieser Frauen zu ergreifen.
Die GfbV unterstützt neben anderen europäischen
Menschenrechtsorganisationen die Kampagne der Vereinigung der
indianischen Frauen Kanadas (Native Women´s Association of
Canada NWAC) und von ai-Kanada "Sisters in Spirit". Sie fordern
von der kanadischen Regierung, die von 180 Staaten unterzeichnete
UN- Konvention zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung
gegen Frauen (1979) für alle Frauen ohne Unterschied der
ethnischen Zugehörigkeit endlich in die Tat umsetzen. Die
NWAC, Initiatorin der Kampagne, verlangt einen sofortigen und
umfassenden Aktionsplan, um der Gewalt gegen indianische Frauen
Einhalt zu gebieten. Dazu gehören die grundlegende
Verbesserung der Lebensbedingungen in den indigenen
Gemeinschaften, die Einrichtung einer Sondereingreiftruppe und
mehr Einrichtungen zum Schutz der indianischen Frauen (z.B.
Frauenhäuser). Den Organisationen der Indigenen müssen
für die weitere Dokumentation der Vorfälle mehr
Finanzmittel zur Verfügung gestellt werden, und unabdingbar
ist auch eine konsequente Strafverfolgung der Täter, die
viel zu häufig straflos bleiben, heißt es in den
Forderungen.
Besonders auffällig ist die Gewalt gegen indigene Frauen in
British Columbia. Entlang des "Highway of Tears", des Highway 16
in der kanadischen Pazifikprovinz wurden seit 1989 neun
Indianerinnen im Alter von 15-25 Jahren vergewaltigt und
ermordet. Doch erst als 2002 auch eine 26 Jahre alte
nicht-indianische Tramperin an der Straße ermordet wurde,
erwachte das Interesse der Medien. Anfang Februar 2006 wurde die
Leiche von Aielah Saric-Auger gefunden. Die Indianerin aus Prince
George wurde nur 14 Jahre alt. Der Aufruf der kanadischen
indianischen Frauen, den die GfbV auch mit einer E-Mail-Aktion
unterstützt, wird in Europa mitgetragen von der
Aktionsgruppe Indianer und Menschenrechte (AGIM), Menschenrechte
3000 in Deutschland, dem Arbeitskreis Indianer Nordamerikas
(AKIN) in Österreich und Incomindios-Internationales Komitee
für die Indianer Amerikas in der Schweiz.