Bozen, Göttingen, Sarajevo, Srebrenica, 14. Dezember 2005
Die Ernennung von Christian Schwarz-Schilling zum Hohen
Repräsentanten der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien
ist vor allem von den überlebenden Opfern der so genannten
ethnischen Säuberungen, den Flüchtlingen, Vertriebenen
und den ehemaligen Häftlingen der Vergewaltigungs- und
Konzentrationslager, mit überwältigender Zustimmung
aufgenommen worden. Dies berichtet die Sprecherin der Büros
der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in
Sarajevo, Fadila Memisevic, und Srebrenica, Hatidza
Mehmedovic.
Die GfbV hofft, dass es dem erfahrenen ehemaligen
Bosnien-Schlichter Christian Schwarz-Schilling gelingen wird, das
bis heute geteilte Land wieder zu vereinigen. "Mit dem Vertrag
von Dayton haben die Mitgliedsstaaten der Bosnien-Kontaktgruppe
die Teilung Bosniens zementiert, die Partei (SDS) des mit
internationalem Haftbefehl gesuchten serbischen Kriegsverbrechers
Radovan Karadzic bis heute in der so genannten Republika Srbska
(RS) an der Macht geduldet und somit de facto die Rückkehr
von 95 Prozent der aus der RS Vertriebenen verhindert",
kritisiert der Präsident der GfbV International, Tilman
Zülch. "Das waren etwa 800.000 Menschen und 50 Prozent der
Bevölkerung der serbisch kontrollierten Hälfte
Bosniens. In diesem Zusammenhang erinnern wir daran, dass die
deutschen Innenminister Tausende Bosnien-Vertriebene aus
Deutschland abschieben oder herausdrängen ließen, die
gar nicht in das überfüllte Restbosnien
zurückkehren konnten. Die USA, Kanada und Australien haben
einen großen Teil dieser Menschen aufgenommen und sich
über die fleißigen und integrationswilligen
Neubürger gefreut."
Die GfbV erinnert noch einmal an das Versagen der Internationalen
Gemeinschaft während des Krieges und Genozides in Bosnien.
Internationale Truppen im Lande haben in der Regel nicht die
bedrohte Zivilbevölkerung in eingeschlossenen bombardierten
Städten geschützt oder sie aus den Konzentrations-,
Internierungs- und Vergewaltigungslagern befreit, sondern sich im
wesentlichen mit ihrer eigenen Sicherheit beschäftigt. Die
Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und Russlands
haben die serbische Bosnienpolitik offen begünstigt. Die
deutsche Bundesregierung hatte nach der Anerkennung Kroatiens den
kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman nicht einmal daran
gehindert, seinerseits über Bosnien-Herzegowina herzufallen,
dort das berüchtigte Internierungslager Heliodrom für
10.000 Bosniaken einzurichten und die muslimische und
Roma-Bevölkerung Mostars in der Altstadt
zusammenzudrängen, einzuschließen und monatelang zu
beschießen.
"Trotz der Zerstörung von 1350 Moscheen, Koranschulen und
Tekijes - das waren alle islamischen Gotteshäuser in den
ethnisch gesäuberten und später zur RS erklärten
Regionen - und der ersten Vernichtung von größeren
Teilen einer nichtchristlichen Volksgruppe in Europa seit Hitler
haben die fünf demokratischen Parteien in Deutschland sich
in ihrer Mehrheit vier Jahre lang gegen eine Intervention zur
Rettung der bosnischen Bevölkerung ausgesprochen", sagte
Zülch. "Christian Schwarz-Schilling gehörte zu den
einsamen "Rufern in der Wüste" und legte sogar sein
Ministeramt nieder, als Helmut Kohl konkrete Initiativen für
Bosnien verweigerte." Zu den "weißen Raben" gehörten
u.a. auch Freimut Duve (SPD), der christdemokratische Abgeordnete
Stefan Schwarz, Daniel Cohn-Bendit, Marieluise Beck und Eva
Quistorp von den Grünen sowie die Hamburger GAL.