Bozen, 18. Januar 2008
Anlässlich der letzten
tragischen Ereignisse in Chile, möchte di Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) ihre Solidarität mit
den Forderungen der Mapuche und ihre Sorge um den
Gesundheitszustand von Patricia Troncoso Robles ausdrücken.
Nach dem Tod des 22-jährigen Studenten Matías
Valentin Catrileo Quezada, der während einer
Protestkundgebung der Mapuche von chilenischen
Sicherheitskräften erschossen wurde, verschlechtert sich nun
auch der Gesundheitszustand der politischen Gefangenen Patricia
Troncoso, die seit nun mehr 100 Tagen im Hungerstreik ist.
Im Fall Matías Catrileo wird bisher gegen den
Unteroffizier der chilenischen Carabineros Walter Ramirez
Espinoza ermittelt und das medizinische Gutachten bestätigt,
dass Catrileo durch den Schuss einer Amtwaffe gestorben ist.
Neben der parlamentarischen Anfrage zu den Geschehnissen bei der
Kundgebung, die von zwei sozialistischen Parlamentariern
eingereicht wurde, erheben sich auch die Stimmen vieler
Menschenrechtsorganisationen, die Garantien verlangen, damit das
Verfahren nicht an die militärische Strafbarkeit
weitergegeben wird, wie es in einem ähnlichen Fall bereits
geschehen ist.
Während der Tod von Matías Catrileo
Protestkundgebungen in vielen europäischen Städten
ausgelöst hat, verschlechtert sich in Chile der
Gesundheitszustand von Patricia Troncoso Robles zunehmend. Die
Mapuche-Aktivistin ist eine von ungefähr 40 politischen
Mapuche-Häftlingen in Chile. Immer wieder haben gefangene
Mapuche mit Hungerstreiks versucht, ihre Forderungen nach
Anerkennung ihrer tausendjährigen Kultur und ihres
angestammten Landes an die Öffentlichkeit zu bringen und die
Regierung zu ernsthaften Verhandlungen zu zwingen, bisher leider
immer ohne Erfolg. Patrcicia Troncoso wurde zusammen mit anderen
Mapuche wegen des Brandes des Fondo Poluco-Pidenco, einer
Monokultur-Plantage der Forestal Mininco auf Mapuche-Land, zu
einer Haftstrafe von zehn Jahren und einem Tag verurteilt. Dem
gewöhnlichen Strafgesetz nach wäre sie bereits frei,
aber Patricia Troncoso wurde nach dem Anti-Terror Gesetz (Gesetz
Nr. 18.314) geurteilt, das ihr de facto jegliche Rechte und
Möglichkeit auf einen fairen Prozess nimmt. Dieses
Anti-Terror-Gesetz ist noch ein Überbleibsel aus der
Diktatur von Augusto Pinochet und keine einzige der darauf
folgenden demokratischen Regierung hat dieses Gesetz bisher
aufgehoben, auch nicht die Regierung von Michelle Bachelet -
trotz ihrer vielen Erklärungen, Menschenrechte an erster
Stelle setzten zu wollen. Das Anti-Terror-Gesetz wird vor allem
dazu benutzt, die Forderungen nach Anerkennung und Proteste der
Mapuche zum Schweigen zu bringen.
Trotz ihres schlechten Gesundheitszustands wurde Patricia
Troncoso am 15. Jänner gegen ihren Willen und ohne die
Familie zu informieren vom Krankenhaus in Temuco in das
Krankenhaus von Chillán verlegt. Ausserdem haben die
chilenischen Sicherheitsbehörden jeglichen Besuche, sowohl
von Freunden als auch von Familienangehörigen, untersagt.
Die Familie von Patricia Troncoso protestiert gegen diesen
Versuch der Behörden, den Fall Patricia Troncoso vor der
Öffentlichkeit abzuschirmen und wehrt sich gegen die
Verbissenheit, mit der Patricia behandelt wird. Ihr wurde sogar
untersagt, mit einem Vertreter der Interamerikanischen Kommission
für Menschenrechte (CIDH), der um ein telefonisches
Gespräch mit ihr gebeten hatte, zu sprechen. Während
dessen hat Patricia einen offenen Brief an alle Männer,
Frauen und Kinder, die sich für eine gerechte und
solidarische Gesellschaft einsetzten, geschickt. Im Brief
erinnert Patricia Troncoso an den historischen Widerstand der
Mapuche gegen jeglichen Besatzungs- und Kolonisierungsversuch und
fordert noch einmal den Respekt für die Rechte der Mapuche
von Seiten des chilenischen Staats. Die Gesellschaft für
bedrohte Völker schliesst sich ihren Forderungen an und
appelliert an die chilenische Regierung, endlich das
schändliche Anti-Terror-Gesetz abzuschaffen und die
ILO-Konvention 169 vollständig und bedingungslos zu
ratifizieren.