Bozen, 9. Mai 2006
Nach 54 Tagen Hungerstreik verschlechtert sich zunehmend der
Gesundheitszustand der vier politischen Mapuche-Gefangenen, die
seit dem 13. März gegen den Prozess protestieren, der sie zu
10 Jahren und einem Tag und einer Geldstrafe von 791.000 US$
verurteilt hat und der von starken Rechtswidrigkeiten
charakterisiert war. Ausserdem verlangen die vier Gefangenen die
Befreiung aller politischen Mapuche-Gefangenen in Chile.
Florencio Jaime Marileo Saravia (27), Juan Carlos Huenulao Lemil
(39), José Patricio Marileo Saravia (31) und Patricia
Roxana Troncoso Robles (36) wurden wegen Terrorismus und
terroristischer Brandstiftung verurteilt. Nach einer besonders
langen Untersuchungshaft (bis zu eineinhalb Jahren), zeichnete
sich der Prozess durch schwere Unregelmässigkeiten aus: das
Recht auf Verteidigung wurde beschränkt, es wurde das unter
Pinochet eingeführte Anti-Terror-Gesetz angewandt und das
Urteil stützt sich auf Zeugen, deren Identität der
Verteidigung unbekannt bleibt ("Zeugen ohne Gesicht") und deren
Aussagen somit nicht geprüft werden können.
Die Anwendung des Antiterrorismus-Gesetzes (Gesetz Nr. 18.314)
gegen Mapuche-Führer, die sich gegen den Entzug ihres Landes
einsetzen, und die Zulassung anonymer Zeugen ist von
verschiedenen internationalen Organisationen bereits des
Öfteren kritisiert worden. Im Jahr 2003 hat Rodolfo
Stavenhagen, Verantwortlicher für indigene Angelegenheiten
bei den Vereinten Nationen, die chilenische Regierung
aufgefordert, sie solle endlich Maßnahmen ergreifen, damit
das Volk der Mapuche wegen ihrer legitimen Proteste gegen
Landraub und sozialer Benachteiligung nicht kriminalisiert werde.
Zum selben Schluss kam auch das Komitee für die
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte der Vereinten
Nationen in seinem letzten Chile-Report. Außerdem
behängen bei der interamerikanischen Kommission für
Menschenrechte fünf Eingaben gegen die chilenische
Regierung. Sie betreffen allesamt Prozesse gegen Mapuche, die
wegen des Antiterrorismus-Gesetzes gerichtlich belangt
wurden.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) richtet
sich dringend mit dem folgenden Schreiben an die chilenische
Präsidentin Michelle Bachelet und bittet auch alle ihre
Unterstützer, den Brief an die unten genannten Adressen
weiterzuschicken:
Señora Presidenta de la República de
Chile
Sra. Michelle Bachelet
Presidencia de la Republica - Palacio de la Moneda
Santiago, Chile
E-mail: opinion@presidencia.cl
Since Monday 13th March the Mapuche Political Prisoners confined
in Angol prison - Patricia Troncoso, Patricio Marileo Saravia,
Jaime Marileo Saravia and Juan Carlos Huenulao Lienmil - have
been on hunger strike with the objective of achieving a review of
the judgement under which they were sentenced to 10 years and one
day plus the payment of US $791,000 (423 million Chilean pesos)
in compensation to the company Forestal Mininco.
The Mapuche community members highlight that the sentence imposed
is based on an arbitrary judicial decision, which is racist in
nature. The aggravating circumstances that justify the arbitrary
application of law Nr. 18.314 created by dictator Pinochet
(called the 'anti-terrorist law') in order to condemn a group of
indigenous political activists demanding better living conditions
and political rights as terrorists are inconceivable from an
international perspective. The practice of charging somebody
based on the testimonies of unidentified witnesses is also
inconceivable within the framework of the Rule of Law.
The arbitrary application of the anti-terrorist law against the
Mapuche community members makes us conclude that Chilean justice
is not neutral. Over recent decades the anti-terrorist law has
been used exclusively to judge indigenous political leaders. The
Chilean courts of justice apply a racist justice. Our conclusion
is that in the political-juridical order imposed by the Chilean
courts of justice, the political demands of the Mapuche peoples
are conceived as a criminal act.
- We support the demands of the Mapuche Political Prisoners on
hunger strike confined in Temuco prison.
- We demand the review of the political judgement issued by the
Chilean Courts of Justice.
- We demand the freedom of the Mapuche Political Prisoners.
Sincerly,
Bolzano/Bozen - Italy, 9th May 2006
Übersetzung des englischen Texts:
Seit Montag, dem 13. März sind die politischen
Mapuche-Gefangenen im Gefängnis von Angol Patricia Troncoso,
Patricio Marileo Saravia, Jaime Marileo Saravia und Juan Carlos
Huenulao Lienmil im Hungerstreik. Sie verlangen eine Revision
ihres Prozesses, der sie zu 10 Jahren und einem Tag
Gefängnis und einer Geldstrafe von 791.000 US$ zu Gunsten
des Konzerns Forestal Mininco verurteilt hat. Das Urteil ist de
facto willkürlich und rassistisch.
Die willkürliche Anwendung des von der Pinochet Diktatur
eingeführten Gesetzes Nr. 18.314 (Anti-Terror-Gesetz)
verfolgt das Ziel, indigene politische Bürgerrechtler zu
verurteilen, die allein bessere Lebensbedingungen und mehr
politische Rechte fordern, und ist aus internationaler Sicht
unzulässig. Genauso unzulässig ist eine Verurteilung
auf grund von Aussagen anonymer Zeugen.
Die willkürliche Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes gegen
Mapuche-Gemeinschaften, lässt uns annehmen, dass die
chilenische Rechtssprechung nicht neutral ist. Dieses Gesetz
wurde jahrzehntelang nur in Prozessen gegen indigene politische
Führer angewandt. Dem zu Folge wenden die chilenischen
Gerichtshöfe eine rassistische Rechtssprechung an, die die
politischen Forderungen der Mapuche kriminalisiert.
- Wir unterstützen die Forderungen der politischen
Mapuche-Gefangenen im Hungerstreik.
- Wir fordern eine Revision des politischen Urteils des
chilenischen Gerichtshofs.
- Wir fordern die Befreiung der politischen
Mapuche-Gefangenen.
Militäranwesenheit in den
Mapuche-Gemeinschaften der IX Region, 2005