Bozen, Göttingen, 16. April 2008
Die Situation der etwa 235 indianischen Völker Brasiliens
ist verzweifelt: Landverlust, Gewalt, sklavenähnliche
Arbeitsverhältnisse, Drohungen und Mord prägten nach
einer Bilanz des Indianer-Missionsrates der Brasilianischen
Bischofskonferenz (CIMI) auch 2007 ihren Alltag. "Wer
öffentlich seine Stimme zum Beispiel gegen illegalen
Holzeinschlag erhebt, riskiert sein Leben", beklagt Yvonne
Bangert, Referentin der Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) für indigene Völker in
Göttingen. "So erhielt der Sprecher der Surui-Indianer aus
dem Bundesstaat Rondônia, Almir Surui, der im Februar bei
unserer Menschenrechtsorganisation in Göttingen zu Gast war,
nach der Rückkehr aus Deutschland Morddrohungen. Wir sind in
großer Sorge um seine Sicherheit." Als langjährige
Partnerorganisation des CIMI veröffentlicht die GfbV jedes
Jahr die Bilanz des Missionsrates über die
Menschenrechtslage der Indianer.
Nach Angaben des CIMI werden die Ureinwohner überall in
Brasilien auch mit Umweltzerstörung, Selbstmord, hoher
Kindersterblichkeit und mangelhafter Gesundheitsversorgung
konfrontiert. Den traurigen Rekord behielt der Bundesstaat Mato
Grosso do Sul. Hier stieg die Zahl der Morde zwischen 2006 und
2007 um 99 Prozent von 27 auf 53. Aufgrund des extremen
Landmangels leben hier zahlreiche Gemeinschaften der zusammen
40.000 Guarani am Rande der Straßen inmitten von
großen Zuckerrohr-, Soja- und Maisplantagen sowie
Viehweiden. 95 Prozent des Waldes sind in diesem Bundesstaat
bereits verschwunden. Weil der Markt für den Biokraftstoff
Ethanol, der aus dem Zuckerrohr gewonnen wird, boomt, breiten
sich die Pflanzungen immer weiter aus.
Die meisten Guarani haben keine Chance, sich auf dem
verbleibenden Land selbst zu ernähren. Frustration und
Gewalt auch innerhalb der Gemeinschaften sind groß. Aber
auch die Arbeitsplätze in den Zuckerrohrfabriken sind keine
Alternative. Sie sind schlecht bezahlt und die Arbeitsbedingungen
sind miserabel. Im März und im November 2007 befreiten
Kontrolleure des Arbeitsministeriums zusammen mehr als 1100
Guarani-Kaiowa und Terena aus unwürdigsten
Verhältnissen in Zuckerrohrfabriken in Mato Grosso do
Sul.
"Insgesamt stehen auch im sechsten Jahr der Regierung Lula da
Silva die meisten indigenen Völker Brasiliens mit dem
Rücken an der Wand", bilanziert Bangert. "Bei den Yanomami
kehren die Malaria und die Goldsucher zurück. Immer mehr
Staudammprojekte verändern ganze Ökosysteme und
zerstören die Lebensgrundlagen Tausender Indianer. Dazu
gehören die Umleitung des Rio Sao Francisco in
Nordostbrasilien, die geplanten Dämme San Antonio und Jirau
am Rio Madeira in Rondonia oder auch der 1990 verhinderte und
jetzt wieder aus der Schublade gezogene Plan für den Bau des
Belo-Monte-Staudamms am Rio Xingu."
Als eine der wichtigsten Menschenrechtsorganisationen für
die Unterstützung der indigenen Völker Brasiliens hat
CIMI Mitarbeiter direkt in indianischen Gemeinschaften. CIMI
legte seinen Bericht "Gewalt gegen die indigenen Völker in
Brasilien 2006-2007" am 10. April der 46. Generalversammlung der
Brasilianischen Bischofskonferenz vor.