Bozen, Berlin, Göttingen, 1. September 2008
Der Ilisu-Staudamm und die kurdische archäologische Stätte von Hasankeyf in der Türkei.
Nachdem im September 2007 ein Konsortium mit dem Bau des
Ilisu-Staudammes beauftragt wurde und dieses seine Zustimmung zum
Baubeginn signalisiert hatte, stellte nun auch die DekaBank, die
den Sparkassen und elf Landesbanken gehört, der
türkischen Regierung 114 Millionen Euro für den Bau des
Staudamms am Tigris zur Verfügung. Die Beteiligung der
Banken aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie die
Förderung des Ilisu-Projektes durch die jeweiligen
Regierungen hat bei den Bewohnern der antiken Stadt Hasankeyf,
die im Zuge des Staudammbaus überflutet werden soll, sowie
bei Tausenden weiteren Betroffenen in der gesamten Region eine
Welle der Entrüstung, ausgelöst. Auch bei Kurden und
den christlichen Assyro-Armäern in Deutschland ruft das
jüngste Engagement der beteiligten deutschen Banken an dem
umstrittenen Staudamm-Projekt Empörung hervor. In den
nächsten Wochen werden deshalb bundesweit Proteste gegen die
Deka-Bank organisiert, an denen sich auch Mitglieder der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und andere
Menschenrechtsinitiativen beteiligen werden.
Die erste Protestkundgebung findet am 4. September um 16 Uhr auf
dem Berliner Alexanderplatz statt. Anlass dafür ist der
Kinostart des Dokumentarfilmes "Und macht euch die Erde
untertan", der im Rahmen der Kampagne "Rettet Hasankeyf - Stop
Ilisu" entstand. Der Film wird, ebenfalls am 4. September in
Berlin, im Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, um 19.30
zu sehen sein. In der Türkei selbst haben verschiedene
Menschenrechtsgruppen in der südanatolischen Provinz Batman,
in der die Stadt Hasankeyf liegt, zum offenen Widerstand gegen
das Bauvorhaben aufgerufen. Unter anderem werden Hungerstreiks,
Kundgebungen sowie Marschzüge der Bauern geplant. In
Telefongesprächen haben die Einwohner von Hasankeyf und der
umliegenden Siedlungen der GfbV mitgeteilt, dass bisher 10 000
Unterschriften gesammelt wurden. Die Unterzeichner protestieren
gegen die Zerstörung ihrer Dörfer. In den nächsten
Tagen wollen Tausende Menschen nach Ankara reisen, um dort bei
den deutschen, österreichischen und schweizerischen
diplomatischen Vertretungen Asyl zu beantragen. Die Kurden werfen
den Regierungen dieser Länder vor, durch die Finanzierung
des Ilisu-Projektes die Zerstörung eines 4000-jährigen
weitläufigen Denkmals aus Höhlen, Gassen, Läden,
Medresen (Schulen) und Kirchen zu unterstützen und somit
für ihre Zwangsumsiedlung verantwortlich zu sein. Nach
Aussage eines Menschenrechtsexperten aus Batman könnten in
den nächsten fünf Jahren bis zu 55.000 vertriebene
Kurden in Westeuropa, vor allem aber in Deutschland, Asyl
beantragen.
Hintergrund:
Der Ilisu-Staudamm ist ein Teil des türkischen
Südostanatolien-Projekts (GAP, türk. Güneydogu
Anadolu Projesi). Dieses Wasserkraftwerk soll den Tigris kurz vor
der Grenze zu Syrien und Irak im überwiegend kurdisch
bewohnten Südosten des Landes aufstauen. Dem Konsortium, das
mit dem Bau beauftragt wurde, gehören folgende Unternehmen
an: Andritz (Österreich) (ehemals VA Tech Hydro), Alstom,
Stucky, Colenco und Maggia (Schweiz), Ed. Züblin AG
(Deutschland) und Nurol, Cengiz, Celiker, Temelsu (Türkei).
In einer Region von über 300 km² sollen die Stadt
Hasankeyf, vier kleinere Städte, 95 Dörfer und 99
Weiler (insgesamt 199 Wohnsiedlungen) vollständig oder
teilweise überflutet werden.