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Afghanistan

Dramatische Lage von Menschenrechtlern aus Afghanistan-Debatte ausgeblendet

Bozen, Göttingen, 4. August 2010

Protestkundgebung in Kabul für Parwez Kaambakhsh. Protestkundgebung in Kabul für Parwez Kaambakhsh.

Die Debatten nach der Veröffentlichung amerikanischer Kriegstagebücher am 25. Juli in WikiLeaks und der Kabuler Konferenz am 20. Juli weisen große Lücken auf, kritisierte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch. "In der deutschen und internationalen Diskussion kaum beachtet wird der Einsatz afghanischer Menschenrechtler für die Demokratisierung Afghanistans und die Durchsetzung von Menschenrechten", beklagt Tillmann Schmalzried, Afghanistanreferent der GfbV. Damit der Aufbau eines Rechtsstaates erreicht werde, müsse die Internationale Gemeinschaft afghanische Menschenrechtler in Afghanistan endlich stärken, statt sich kriegstreibende Warlords, als Partner zu suchen.

Die mächtigen Warlords nutzten das islamische Rechtssystem, um die Menschenrechtler mundtot zu machen. Mit Prozessen, die auf falschen Anklagen beruhen, werden Sie zur Flucht ins Ausland gezwungen. So wurde der Bruder des afghanischen Journalisten Sayed Yaqub Ibrahimi anhand falscher Zeugenaussagen wegen Beleidigung des Propheten zu 20 Jahren Haft verurteilt. Ibrahimi gilt als bedeutenster Anti-Warlord-Journalist, und sein Brüder musste 2009 ins Ausland fliehen. "Doch nicht nur die mächtigen Warlords, sogar Präsident Karzai begeht Menschenrechtsverletzungen, um unliebsame Stimmen auszuschalten", sagt Schmalzried. Das Buch der Journalistin Mahsa Taee "Gute Nacht Präsident" über Korruption und Machtmissbrauch der afghanischen Regierung wurde von Karzai verboten. Auch ihr blieb nur die Flucht ins Exil.

Die amerikanischen Kriegstagebücher belegen, dass die Herrschaft afghanischer Warlords durch die internationale Politik zunehmend gestärkt wird. Deutschland ist keine Ausnahme. Ein Eintrag vom 17. Juli 2009 dokumentiert, dass Gouverneur Atta, der wichtigste Partner Deutschlands im Norden, sogar die Taliban-Kämpfer in der Provinz Balkh zu Angriffen aufforderte, um Karzais Schwäche bloßzustellen. Dieser hatte ihn nicht wie zunächst vorgesehen zum Vizepräsidenten ernannt. Die GfbV wirft Atta ethnische Vertreibungen und politische Morde an der paschtunischen Minderheit in Nordafghanistan vor. Sie erinnert einmal mehr daran, dass die Bundesregierung verpflichtet ist, die seinerzeit auf der Petersberger Konferenz am 5. Dezember 2001 erstmals formulierten Ziele für Afghanistans Entwicklung endlich umzusetzen. Dazu gehören in erster Linie die längst überfällige Entwaffnung illegaler Milizen und die Bestrafung von Kriegsverbrechen. Es sei unerträglich, dass die Truppen der internationalen Gemeinschaft immer wieder wegsehen, wenn afghanische Streitkräfte schwere Menschenrechtsverletzungen begehen.

Die GfbV appelliert an die deutsche Bundeskanzlerin, die in Afghanistan engagierten Staaten zur Entwaffnung der Milizen, zur Verfolgung von Kriegsverbrechen, zum Schutz der Menschenrechte und Minderheiten in Afghanistan zu bewegen. Afghanische Menschenrechtler wie Sayed Yaqub Ibrahimi und Mahsa Taee dürfen nicht auf verlorenem Posten stehen, während ihre Gegner, Warlords und Islamisten, das Land wieder in den Abgrund stürzen.