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Afghanistan: Anschlag gegen UN in Kabul

Enttäuschung über UN-Einsatz in Afghanistan lässt Taliban erstarken

Bozen, Göttingen, 29. Oktober 2009

Afghanischer Bauer in der Provinz Ghazni. Afghanischer Bauer in der Provinz Ghazni.

Der Angriff dreier Taliban-Kämpfer auf ein Gästehaus der Vereinten Nationen (UN) in Kabul ist nach Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker ein besorgniserregendes Zeichen für das sinkende Ansehen der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan. Weil es den UN bisher nicht gelungen sei, die Herrschaft der Warlords zu beenden und ihren fortgesetzten Kriegsverbrechen Einhalt zu gebieten, wachse der Unmut in der Bevölkerung, sagte Tillmann Schmalzried, Afghanistan-Experte der GfbV am Donnerstag in Göttingen. Deshalb hätten die Taliban, denen es in den 90er Jahren schon einmal gelungen war, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, offenbar an Zuspruch gewonnen.

"Warlords, die für schwerste Kriegsverbrechen verantwortlich sind, werden nicht zur Rechenschaft gezogen, sondern bekleiden weiterhin höchste Posten", kritisierte Schmalzried. So gehöre der Paschtune Abdul Rasul Sayyaf zu den einflussreichsten Mitgliedern des afghanischen Parlaments. Er habe 1993 ethnische Säuberungen in den afghanischen Krieg eingeführt. Damals beteiligten sich seine Milizen daran, Tausende Angehörige der Volksgruppe der Hazara im Kabuler Stadtteil Afshar zu massakrieren. Als sein damaliger General Abdullah Shah gegen ihn aussagen wollte, sorgte er 2004 für dessen Hinrichtung.

Der Usbeke Abdul Rashid Dostum habe nach der Schlacht gegen die Taliban bei Kunduz Ende 2001 mindestens 2.000 Gefangene in Containern ersticken und in einem Massengrab in Sichtweite seines Gästehauses in Shiberghan verscharren lassen. Mit der Frage, ob und auf welche Weise US-Spezialtruppen an diesem Massaker beteiligt waren, beschäftige sich derzeit die neue US-Administration. Im Juni 2009 wurde der berüchtigte Warlord von Präsident Hamid Karzai wieder zum beratenden Generalstabschef des Oberkommandos der Armee ernannt. Dostum gehört wie Sayyaf zu der Allianz, die Karzais Wiederwahl betreibt.

Auch der Tadschike Atta Mohammad Nur, seit 2004 Gouverneur in Mazar-i Scharif, gehört zu den besonders gefürchteten Warlords, berichtete Schmalzried. Der GfbV liegen Berichte über mindestens 200 gezielte Morde in zwei Provinzen vor, die auf sein Konto gingen. Außerdem habe er in der Provinz Sar-e Pol hunderte von Familien vertreiben lassen. Da Präsident Karzai ihn nicht zum Vizepräsidenten ernennen wollte, unterstützt er nun dessen Herausforderer Abdullah Abdullah. Als mächtigster Gouverneur Nordafghanistans steht Atta hinter dem Drogen-Waffen-Handel an der zentralasiatischen Grenze. So bewaffnet er nicht nur seine eigenen Milizen. Die Waffen werden auch weiter an die Aufständischen im Süden Afghanistans und in Pakistan verkauft.