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100 Selbstverbrennungen von Tibetern: China reagiert hilflos mit noch mehr Verfolgung

Kriminalisierungskampagne gegen Angehörige von Selbstmördern

Bozen, Göttingen, 13. Februar 2013

Mit mehreren Aktionen machte die GfbV im vergangenen Jahr (2012) auf die Menschenrechtssituation in China aufmerksam. Mittlerweile ist die Zahl der Selbstverbrennungen auf 100 gestiegen. Foto: Daniel Matt/GfbV-Archiv. Mit mehreren Aktionen machte die GfbV im vergangenen Jahr (2012) auf die Menschenrechtssituation in China aufmerksam. Mittlerweile ist die Zahl der Selbstverbrennungen auf 100 gestiegen. Foto: Daniel Matt/GfbV-Archiv.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat Chinas Behörden vorgeworfen, auf die vielen Selbstverbrennungen in Tibet hilflos nur mit noch mehr Verfolgung zu reagieren, statt nach den Ursachen der Verzweiflungstaten zu fragen. "Dass Chinas Regierung keine angemessene Antwort auf die Welle von Selbstverbrennungen von Tibetern findet, ist tragisch. Dass es nun aber auch noch Angehörige und Freunde der Selbstmörder systematisch kriminalisiert, verletzt chinesisches Recht und Völkerrecht", erklärte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. "Offensichtlich findet Chinas Regierung kein wirksames Mittel, um die Zahl der Selbstverbrennungen in Tibet einzudämmen. Nun aus Hilflosigkeit die Selbstverbrennungen juristisch als "Mord" zu bewerten, um Angehörige und Freunde bestrafen zu können, ist aber eine abstruse Rechtsbeugung". Aus Protest gegen Chinas Tibet-Politik hat sich am heutigen Mittwochmorgen in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu ein tibetischer Mönch öffentlich verbrannt. Es war die 100. Selbstverbrennung von Tibetern seit Februar 2009.

Seit der massiven Zunahme der Selbstverbrennungen im Oktober 2012 bestraft China systematisch Angehörige und Freunde der Menschen, die den Freitod gesucht haben. So waren am 1. Februar 2013 sechs Tibeter zu Freiheitsstrafen bis zu 12 Jahren verurteilt worden, weil sie den Leichnam eines Selbstmörders nicht den Behörden übergaben. Am 31.Januar wurde der Tibeter Lobsang Kunchok in einem Schauprozess zum Tode verurteilt (Vollzug der Strafe wurde für zwei Jahre ausgesetzt), weil er acht Tibeter zum Freitod angestiftet haben soll. Fünf dieser vermeintlich acht Selbstmorde haben jedoch tatsächlich niemals stattgefunden. Nach Darstellung der Behörden sollen die Betroffenen nach Rücksprache mit der Polizei ihre Selbsttötungsabsicht wieder aufgegeben haben. Sein Neffe Lobsang Tsering wurde wegen "vorsätzlicher Tötung" zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Bestrafungen sind keine Einzelfälle. So haben die Behörden am 2. Februar 2013 den 42 Jahre alten Yarphel festgenommen, einen Onkel von Dorjee Lhundup, der sich kürzlich selbst verbrannte. Mehrere Tibeter wurden wegen der Weitergabe von Informationen über Selbstverbrennungen inhaftiert oder zu Haftstrafen verurteilt. Kondolierenden Freunden wurde untersagt, Hinterbliebene zu besuchen, oder sie wurden mit der Streichung finanzieller Hilfen eingeschüchtert. Dörfer, in denen sich Tibeter selbst verbrennen, sollen gemäß Dienstanweisungen künftig keine staatliche Unterstützung mehr erhalten. Mehreren Angehörigen wurden hohe Bestechungsgelder angeboten, damit sie in der Öffentlichkeit fälschlicherweise behaupten, die Verstorbene habe aus familiären Gründen den Freitod gesucht. In mindestens einem Fall wurde ein Ehemann verhaftet, weil er keine Falschaussage machen wollte.

Verhaftet wurde Anfang November 2012 Dhonue, der Ehemann der Tibeterin Dolkar Tso. Sie hatte sich am 7. August 2012 das Leben genommen. Dhonue ließ sich nicht bestechen und wollte auch nicht öffentlich erklären, seine Frau habe sich aus familiären Gründen getötet. Ein hohes Bestechungsgeld war im Oktober 2012 auch den Angehörigen des Selbstmörders Sangay Gatso angeboten worden. Sie sollten behaupten, der Tibeter habe sich nicht aus politischen Gründen umgebracht.

Die vier Mönche Tashi Gyatso, Kalsang Gyatso, Jigme Gyatso, Kunchok Gyatso aus dem Kloster Dokar (Provinz Gansu) wurden zwischen dem 14. und 17. Oktober 2012 inhaftiert, weil sie sich um ein Selbstverbrennungsopfer gekümmert und den Leichnam fotografiert hatten. Im Juni 2012 wurde der Mönch Lho Younten Gyatso in der Tibetischen Präfektur Ngaba (Provinz Sichuan) zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er Informationen über eine Selbstverbrennung an Exil-Tibeter im Ausland weitergegeben hatte.