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Zwei Jahre Krieg gegen Kurden in Afrin / Nordsyrien (20. Januar):

NATO deckt Erdogans Ethnozid

Bozen, Göttingen, 16. Januar 2020

Flüchtlingslager in der Region Shahba, Nordaleppo, Nordsyrien. Foto: Kamal Sido / GfbV 2019. Flüchtlingslager in der Region Shahba, Nordaleppo, Nordsyrien. Foto: Kamal Sido / GfbV 2019.

Am zweiten Jahrestag seines völkerrechtswidrigen Angriffes auf Afrin möchte der türkische Präsident Erdogan nach Berlin reisen, um über Frieden in Libyen zu reden. Währenddessen ist der ehemals kurdisch dominierte Norden Syriens ethnisch gesäubert, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtet. "Aus der ehemals multiethnischen und multireligiösen Region ist die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung geflohen oder vertrieben worden", erklärt Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. Vor dem Angriff 2018 hätten in Afrin noch etwa 1.000 Menschen christlichen Glaubens gelebt - von ihnen sei niemand mehr dort. Auch 300.000 sunnitische Angehörige des kurdischen Volkes mussten aus Afrin fliehen und leben seitdem in Flüchtlingslagern im Norden von Aleppo, oft immer noch in Zelten.

"Die kurdisch-sunnitische Bevölkerung Afrins war historisch für ihre Toleranz bekannt", erinnert Sido. "Mit Unterstützung der Türkei haben jetzt die radikalsten islamistischen Milizen Syriens die Kontrolle." In den Moscheen von Afrin werde heute ausschließlich ein radikaler Islam gepredigt, unter der Bevölkerung Hass auf Demokratie und anderen westlichen Werte verbreitet. "Die Region ist einer beispiellosen Türkisierungs- und Islamisierungskampagne ausgesetzt", so Sido. "Die kurdische kulturelle Identität wird systematisch zerstört. Deutschland und Europa tolerieren diesen Ethnozid stillschweigend - weil er von einem NATO-Partner begangen wird."

Noch vor zwei Jahren lebten in der Region 20.000 bis 30.000 yezidische Gläubige. Nur 1.300 von ihnen sind in der Region verblieben. Ihre Friedhöfe, Heiligtümer und Vereine wurden beraubt und zerstört. "Auch die wenigen verblieben Menschen alevitischen Glaubens müssen sich der Islamisierung unterwerfen. Religiöse Rituale oder Feste dürfen sie nicht mehr öffentlich feiern", berichtet Sido. Entführungen für Lösegeld seien an der Tagesordnung. Oft würden kurdische Frauen mit radikalen Sunniten zwangsverheiratet. Frauen ohne Kopftuch seien komplett aus der Region verschwunden. 5.576 Menschen seien verhaftet worden, das Schicksal von etwa 2.350 von ihnen sei unbekannt. Vermutlich würden viele nicht mehr leben. 709 freigelassene kurdische Gefangene geben an, in Haft gefoltert worden zu sein. Mindestens 68 Menschen seien in den vergangenen zwei Jahren in Haft verstorben - vermutlich an Folter und Misshandlung.

Währenddessen setzten das türkische Militär und seine islamistischen Verbündeten ihre Verbrechen fort. Seit der erneuten Invasion namens "Quelle des Friedens" am 9. Oktober 2019 seien 1.776 Zivilisten getötet und 3.909 verletzt worden. Rund 6.000 Menschen sollen vom türkischen Militär und islamistischen Söldnern gefangen genommen worden sein. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte befinden sich unter den islamistischen Milizen an der Seite der Türkei viele ehemalige Mitglieder des sogenannten "Islamischen Staates". "Viele Verstöße durch das türkische Militär sind als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bewerten", erklärt Sido. "Dass sie entsprechend geahndet werden ist unwahrscheinlich, solange die NATO Erdogan deckt."